Uedem-Hochwald & Wesel-Flüren

Bei Uedem-Hochwald und Wesel-Flürener Feld stoßen die drei Freunde auf Übungslager der römischen Armee mitten im Wald. Und sie kommen richtig ins Schwitzen, als sie erfahren, wie weit die Soldaten manchmal mit schwerem Gepäck marschieren mussten.

Auf dem Marsch und im Manöver

„Du, Nina, warum schauen wir hier auf einen Wald?“, fragt Klaus. Die drei Freunde stehen mitten im Hochwald in Uedem, unweit der Kreuzung Marienbaumerstaße und Reichswaldstraße auf dem Parkplatz Am Bohrturm. „Da drüben, mitten im Wald, haben Archäologen und Archäologinnen 13 Übungslager entdeckt, die zu einem Manövergelände der römischen Armee gehörten“, erklärt Nina. „Die Lager waren unterschiedlich groß und boten Platz für jeweils 500 bis 2500 Mann.“

„Und wo kamen die Soldaten her, die hier geübt haben?“, möchte Nicki Nuss wissen. „Die kamen wahrscheinlich aus dem Lager Vetera castra und von den hier in der Nähe stationierten Hilfstruppen“, antwortet Nina. „So etwas haben wir doch schon einmal gesehen“, wirft Klaus ein. „Oh ja, und zwar im Kottenforst“, bestätigt Nicki. „Genau, fast 200 solcher Übungslager sind am Niederrhein bekannt“, erklärt Nina weiter. „Sogar auf der anderen Rheinseite, bei Wesel, gibt es welche.“

Die Positionen der Übungslager (rote Kästchen) im Hochwald von Uedem
Die Positionen der Übungslager (rote Kästchen) im Hochwald von Uedem
Die Lager der Übungslager im Flürener Feld
Die Lager der Übungslager im Flürener Feld

„Warum haben die römischen Soldaten auf dem Marsch eigentlich jeden Abend ein Lager errichtet? Das war doch irre anstrengend“, will Nicki wissen. „Das haben wir doch schon im Kottenforst gelernt“, antwortet Nina. Klaus hüpft aufgeregt auf und ab: „Ja, genau. Das haben sie gemacht, um im Feindesland einen sicheren Platz für die Nacht und im Notfall einen nahe gelegenen, befestigten Rückzugsort zu haben.“

„Wie weit mussten die Soldaten denn jeden Tag marschieren?“, fragt Nicki nach. „Das haben die Römer leider nicht aufgeschrieben“, bedauert Nina. „Wenn die Armeeführer eine Schlacht erwarteten, ließen sie die Soldaten nicht weit marschieren, um sie vor dem Kampf nicht müde zu machen. Als Teil ihrer Ausbildung aber mussten die Soldaten einen Marsch von 20 römischen Meilen, das sind fast 30 Kilometer, in fünf Stunden absolvieren. Das hat natürlich nichts mit einer Armee im Feld mit ihrem Gepäck zu tun. Trotzdem gibt das eine Idee von den Entfernungen, die eine Armee bewältigen konnte“, erklärt Nina ihren Freunden.

„Wie war das eigentlich bei den Römern? Haben die Soldaten ihre ganze Ausrüstung selbst tragen müssen?“, fragt Nicki weiter. „Oh nein, das wäre viel zu viel gewesen“, berichtigt Nina. „Schwerere Ausrüstungsgegenstände, wie die Zelte aus Ziegenleder oder die Schanzpfähle, wurden auf Packtieren oder Wagen transportiert. Trotzdem hatte jeder Soldat noch reichlich Gepäck. Zwischen 30 und 40 Kilogramm dürfte das Marschgepäck gewogen haben, einschließlich
Waffen und Rüstung.“

„Bei so vielen Soldaten war die Marschkolonne doch sicher sehr lang“, fragt Klaus nach. Nina erklärt: „Nur wenn die Römer sich nicht bedroht fühlten. Wenn es Anzeichen für die Nähe des Feindes gab, marschierten die Truppen so, dass sie sich schnell zur Schlachtordnung aufstellen konnten.“

Das kommt alles ins Gepäck!

Das Marschgepäck (sarcina, impedimentum) der römischen Soldaten war an der furca befestigt, einer Art hölzernem Tragekreuz, das der Soldat zusammen mit der Lanze beziehungsweise dem Speer auf der Schulter trug. Daran waren befestigt:

  • die pera, eine Ledertasche mit den persönlichen Gegenständen des Soldaten, zum Beispiel Schuhnägel, Rasiermesser und Waschzeug
  • das reticulum, ein kleines Netz mit der Verpflegung für drei Tage (Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, gegebenenfalls Pökelfleisch)
  • ein Stoffsack mit dem Mantel (paenula)
  • ein Schaffell als Schlafunterlage

Zusätzlich hingen eine Kasserolle (patera), ein kleiner Kochtopf (situla) und eine Wasserflasche (ampulla) an der furca.

Das kommt alles ins Gepäck!
Das kommt alles ins Gepäck!

Xanten-Colonia Ulpia Traiana

Nicki Nuss, Nina und Klaus sind im LVR-Archäologischen Park Xanten angekommen, dem APX.

Ein bisschen Rom in der Provinz

„Uiiih, schaut mal, da ist ja noch ein Amphitheater!“, ruft Nicki Nuss aufgeregt. „Ja, klar“, meint Nina. „Wir sind ja auch auf dem Gelände einer großen Römerstadt, dem der früheren Colonia Ulpia Traiana– und du weißt doch: keine Römerstadt ohne Amphitheater.“

„Haben die Römer hier von Anfang an eine Stadt bauen wollen?“, will Klaus wissen. „Nein, die Stadt ist langsam aus einer Siedlung am Rheinhafen des Legionslagers entstanden. Hier kam der ganze Nachschub für die Soldaten an“, erklärt Nina. „Und viele Soldaten heißt viel Geld, viele Handwerker und Kaufleute“, wirft Klaus ein. „Genau“, bestätigt Nina. „Und da auch viele Soldaten nach ihrer Dienstzeit hierblieben, wurde die kleine Siedlung in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts nach Christus immer größer.“

Auf dieser Karte erkennt man die Straßen (orangene Striche), Wasserleitungen (blaue Striche) und den alten (hellblaue Fläche) und neuen (dunkelblaue Fläche) Verlauf des Rheins.
Auf dieser Karte erkennt man die Straßen (orangene Striche), Wasserleitungen (blaue Striche) und den alten (hellblaue Fläche) und neuen (dunkelblaue Fläche) Verlauf des Rheins.

„Und dann?“, will Nicki wissen. „Dann kamen die Bataver!“, ruft Klaus und hüpft vor lauter Aufregung, weil er die Antwort wusste. „Genau“, bestätigt Nina. „Ebenso wie das Legionslager Vetera I wurde wahrscheinlich auch die Hafensiedlung beim Kampf gegen die Bataver völlig zerstört.“ „Aber die Leute haben alles wieder aufgebaut?“, fragt Nicki. „Ja, haben sie“, antwortet Nina.

„Soldaten aus neuen Legionen haben das Lager und die Vorcoloniasiedlung wieder aufgebaut. Die wurde schnell größer. Schon früh ist die Stadt mit Gräben und einer Mauer befestigt worden. Im Laufe des 2. Jahrhunderts errichteten sie dann Großbauten wie Tempel, Thermen und das Amphitheater. An der Kreuzung der beiden neuen Hauptstraßen entstanden das Forum und das Kapitol, der Tempel für die Staatsgötter Jupiter, Juno und Minerva. Aber auch für einheimische Gottheiten war in der Colonia Platz.“

Xanten-Colonia Ulpia Traiana
Xanten-Colonia Ulpia Traiana

„Wie kam denn die Stadt zu ihrem Namen?“, will Nicki Nuss wissen. „Den hat die Stadt von ihrem Gründer: Kaiser Trajan“, erzählt Nina. „Der hieß mit vollem Namen Marcus Ulpius Traianus. Im Jahr 98 oder 99 nach Christus erhielt die Stadt die Rechte einer Colonia. Neben der Provinzhauptstadt, der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, also Köln, war Xanten die einzige Colonia in Niedergermanien.“

„Was heißt das eigentlich, Colonia?“ Nickis Wissensdurst ist immer noch nicht gestillt. „Habe ich euch das nicht schon zu Hause erklärt, als wir über die Erhebung Kölns zur Colonia gesprochen haben?“, fragt Nina gespielt verärgert zurück. „Die Einwohner einer Colonia besaßen das volle römische Bürgerrecht mit allen rechtlichen und steuerlichen Vergünstigungen, so wie die Bürger Roms selbst. Die Römer unterschieden nämlich zwischen den einfachen Einwohnern und den Bürgern ihres Reiches. Längst nicht jeder Einwohner des Römischen Reiches war ja von Geburt an Römer. Neben einheimischen und zugezogenen Germanen ließen sich Gallier und Menschen aus allen anderen Teilen des Imperiums hier nieder. Die sprachliche Vielfalt war groß – man sprach nicht nur Latein. Römer war, wer an der römischen Kultur Teil hatte.“

„Aber als Bürger durften die Menschen ihre Stadt selbst verwalten?“, fragt Klaus. „In gewisser Weise ja“, bestätigt Nina. „Zumindest waren die Mitglieder des Stadtrates, des ordo decurionum, Bürger ihrer Stadt. Diese Männer wurden aber nicht vom Volk gewählt. Vielmehr mussten sie ein bestimmtes Vermögen vorweisen, um in den Stadtrat aufgenommen werden zu können. Das war nämlich ein Ehrenamt. Sämtliche Kosten für die Amtsführung musste man selbst bezahlen.“

„Oh, also war Politik nur etwas für reiche Männer?“, fragt Klaus mit Bedauern. „Ja, leider“, bestätigt Nina. „Aber in Rom war das ja genauso.“ „Es gab unterschiedliche Aufgaben. Die decuriones haben die Stadt regiert?“, fragt Nicki. „In gewisser Weise“, erklärt Nina. „Die decuriones wählten aus ihren Reihen die beiden Bürgermeister, die duumviri. Die leiteten die Geschicke der Stadt für ein Jahr. Die aediles waren für die öffentliche Sicherheit und die Aufsicht über die Märkte verantwortlich, der quaestor verwaltete die Finanzen. „Kommen da eigentlich gar keine Frauen vor?“, fällt Klaus auf. „Nein“, bestätigt Nina. „Nach römischer Auffassung waren Frauen nur für das Haus und die Familie zuständig.“ Nicki rollt mit den Augen.

So sahen typische Wohnhäuser in der Colonia Ulpia Traiana aus – mit Werkstätten und Verkaufsräumen direkt an der Straße.
So sahen typische Wohnhäuser in der Colonia Ulpia Traiana aus – mit Werkstätten und Verkaufsräumen direkt an der Straße.

„Womit haben die Leute hier eigentlich ihr Geld verdient?“, will das Eichhörnchen wissen. „Die reichsten Leute waren wohl die Eigentümer großer Landgüter oder Großkaufleute“, antwortet Nina. „Die meisten Leute aber waren Handwerker. Archäologen und Archäologinnen fanden Werkzeuge und Produktionsreste von Fleischern und Bäckern, Bronzegießern, Schmieden und Schlossern, Malern und vielen weiteren Berufen. Daneben gab es alle Arten von Dienstleistungen und Händler, die Waren aus dem ganzen Reich anboten.“

„Und wie haben die Leute so gewohnt?“, fragt Nicki weiter. „Die einfachen Leute in der Colonia wohnten in Häusern aus Lehm und Fachwerk. Das konnte man aber nicht sehen, da die Häuser verputzt waren“, weiß Nina. „Die gab es überall in den Siedlungen in den nordwestlichen Provinzen. Die Grundstücke waren lang und schmal. Werkstätten und Verkaufsräume lagen an der Straße, die Wohnräume befanden sich im hinteren Teil des Hauses oder, bei zweistöckigen Gebäuden, in der ersten Etage.“

„Und die Häuser waren alle unten rot und oben weiß?“, wundert sich Klaus. „Ja, meistens“, bestätigt Nina. „Außen schon. Innen konnten sich reichere Leute auch schicke Wandmalereien leisten. Aber auch einfachere Häuser hatten farbige Zimmerwände. Wer es sich leisten konnte, hatte zu Hause eine Fußbodenheizung und schmückte seine Wohnung mit Skulpturen und kostbaren Möbeln. Viele Möbel gab es in römischen Wohnungen aber nicht.“

Besuch doch mal den LVR-Archäologischen Park Xanten!

Der LVR-Archäologische Park Xanten ist unter www.apx.lvr.de zu finden. Dort bekommst du alle Informationen für einen Besuch der Colonia Ulpia Traiana.

Rekosntruktion der Eingangshalle (Basilika) der großen Thermen
Rekosntruktion der Eingangshalle (Basilika) der großen Thermen