Duisburg-Werthausen

In Duisburg-Rheinhausen, im Ortsteil Werthausen, stoßen Nina, Nicki Nuss und Klaus auf ein Kleinkastell. Das Trio erfährt hier, was es so besonders macht.

Ein Römerlager im Feindesland

„Ihr Lieben, das hier ist ein Beispiel für einen Stützpunkt, den die Römer dauerhaft auf der rechten Seite des Rheins errichtet haben“, erklärt Nina mit weit ausholender Geste. Gemeinsam mit Nicki Nuss und Klaus steht sie an der Ecke Deichstraße und Grüner Weg in Duisburg-Rheinhausen, im Ortsteil Werthausen.

„Aber wir sind hier doch auf der linken Rheinseite“, beschwert sich Nicki. „Das stimmt schon“, entgegnet Nina. „Aber in römischer Zeit lag das Kleinkastell hier unmittelbar am rechten Ufer des Rheins, direkt am südlichen Ende des Essenberger Bruchs.“ „War das nicht der ausgetrocknete Rheinarm, an dem das Lager Asciburgium lag?“, fragt Klaus nach. „Ja, genau“, bestätigt Nina.

„Das Lager hier liegt sogar mitten in dieser alten Stromrinne. Das beweist, dass diese alte Flussschleife schon trocken war, als die Römer das Lager Werthausen gebaut haben. Das war wahrscheinlich, kurz nachdem sie Asciburgium als Militärstandort aufgegeben hatten. Der Niederrhein sieht ja heute ganz anders aus als zu römischer Zeit. Er hat viel weniger Kurven, also Flussschleifen, und ist durch Deiche auf beiden Seiten in sein Flussbett gezwängt.“

Warum haben die Römer das Lager eigentlich auf der germanischen Seite gebaut?“, will Nicki wissen. Nina kann das erklären: „Zunächst einmal sollte das kleine Kastell das Lager Asciburgium ersetzen. Die Römer haben das neue Lager wahrscheinlich so weit in Richtung der Germanen vorgeschoben, weil sie damit die Flussmündung der Ruhr besser kontrollieren konnten. Diese Flussmündung war strategisch wichtig, denn von dort aus konnten Germanen leicht das Römische Reich überfallen. Außerdem begann hier ein Handelsweg, der weit nach Osten in das Gebiet Germania magna hineinreichte. Später bekam dieser Weg den Namen Hellweg.“

„Welche Einheit war hier eigentlich stationiert?“, fragt Nicki weiter. „Für eine Kohorte oder eine ala war das Lager doch viel zu klein.“ „Das stimmt“, pflichtet ihm Nina bei. „Das Lager hier hat höchstens zwei Zenturien aufnehmen können, also nur so um die 160 Mann. Das spricht dafür, dass hier nur eine vexillatio, also eine Abordnung einer größeren Einheit, stationiert war. Wahrscheinlich waren es Soldaten aus dem nicht allzu weit entfernten Lager Vetera, die hier immer für eine begrenzte Zeit ihren Dienst machten.“

„Und wie lange war das?“, fragt Klaus nach. „Das weiß niemand“, antwortet Nina. „Es ist ja noch nicht einmal schriftlich überliefert, dass die Soldaten wirklich aus Vetera kamen. Man kann aber wegen der Funde recht gut sagen, wie lange das Lager in Werthausen bestand: etwa 150 Jahre. Mitte des 3. Jahrhunderts gaben die Römer das Lager Werthausen auf.“

Der Verlauf des Rheins in römischer Zeit

Bevor der Rhein sein heutiges Flussbett erhalten hat, verlief er am flachen Niederrhein über Jahrhunderte hinweg
in weit ausschwingenden Bögen. Die Ablagerungen in diesen alten Flussschlingen bewahren wichtige Informationen. Mit verschiedenen Methoden können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Verlauf des Rheins rekonstruieren.

Krefeld-Gellep

In Krefeld-Gellep war zu Zeiten der Römer vielleicht viel los! Hier wurde heftig gekämpft. Denn die Bataver griffen die Römer genau hier an.

Aufstand in Germanien

„Du, Nina, was machen wir hier am Bootshafen?“, fragt Klaus aufgeregt. Er und seine beiden Freunde Nicki Nuss und Nina stehen in Krefeld-Gellep an der Gelleper Straße. „Auf der Tafel steht, dass wir hier am Dorf Gelduba stehen“, antwortet Nicki. „In diesem Dorf hat im Jahr 69/70 nach Christus eine heftige Schlacht stattgefunden. Das Dorf gibt es nicht mehr, später haben die Römer hier dann ein Lager errichtet.“

„Äh, langsam bitte“, wirft Klaus ein. „Nina, erzählst du bitte alles der Reihe nach?“ Nina beginnt: „Als sich die Bataver, ein germanischer Stamm, der eigentlich mit Rom verbündet war, unter ihrem Anführer Julius Civilis im Jahr 69 nach Christus gegen das Römische Reich erhoben, schickten die Römer im Herbst ein größeres Heer den Rhein entlang nach Norden. Die Truppen sollten dem Lager Vetera in Xanten zu Hilfe kommen. Das belagerten nämlich gerade die Bataver. Genau hier in der Nähe des Dorfes Gelduba, kurz vor der Grenze des Gebietes der Aufständischen, machten die Römer halt.“

„Aber hier waren doch dann gar keine Aufständischen“, wirft Nicki ein. „Noch nicht“, antwortet Nina. „Deren Anführer Civilis schickte den Römern aber eine Streitmacht entgegen. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtete, dass die Römer durch den Angriff völlig überrascht wurden. Er schrieb, dass die Bataver durch die ungeordneten Reihen der römischen Hilfstruppen brachen. Als dann aber römische Nachzügler im Rücken der Aufständischen auftauchten, wendete sich das Schlachtenglück.“

„Die Römer haben die Schlacht also gewonnen?“, unterbricht Nicki Nuss. „Ja“, bestätigt Nina, „aber nur knapp. Die Römer konnten die Fußtruppen der Aufständischen größtenteils umzingeln und besiegen. Nur den batavischen Reitern gelang die Flucht.“

Eines von sehr vielen Pferdeskeletten, die Archäologinnen und Archäologen in Krefeld-Gellep ausgegraben haben. Sie dokumentieren den Reiterangriff der Bataver auf die Tore der römischen Befestigungen.
Eines von sehr vielen Pferdeskeletten, die Archäologinnen und Archäologen in Krefeld-Gellep ausgegraben haben. Sie dokumentieren den Reiterangriff der Bataver auf die Tore der römischen Befestigungen.
Dieser Helm eines Aufständischen wurde im Bereich der Tore gefunden, was darauf hinweist, dass es der Helm eines Reiters gewesen sein könnte. Vom ursprünglichen römischen Helm wurden der Nackenschutz und die Wangenklappen entfernt. Die Aussparungen für die Ohren wurden mit Blechen verschlossen.
Dieser Helm eines Aufständischen wurde im Bereich der Tore gefunden, was darauf hinweist, dass es der Helm eines Reiters gewesen sein könnte. Vom ursprünglichen römischen Helm wurden der Nackenschutz und die Wangenklappen entfernt. Die Aussparungen für die Ohren wurden mit Blechen verschlossen.

„Wann haben die Römer denn das Lager gebaut?“, fragt Klaus nach. „Das entstand ab dem Jahr 71 nach Christus“, antwortet Nina. „Zunächst war das auch hier ein Holz-Erde-Lager. Das Lager wurde aber dann mehrfach umgebaut. Seine Strukturen sind im Boden noch gut erhalten.“

„Über der Erde sieht man aber gar nichts mehr“, meint Nicki. „Ja, das ist leider so“, bestätigt Nina. „Was waren denn das für Soldaten, die hier stationiert waren?“, fragt Klaus nach. „Das war die ala quingenaria“, erklärt Nina. „Die erste Einheit war die ala sulpicia aus Spanien. Die war aber nicht allzu lange hier.“ „Was kam denn dann für eine Einheit?“, fragt Klaus nach. „Das war wohl Ende der 80er-Jahre die cohors II Varcianorum equitata civium Romanorum.“

„Wow, was für ein langer Name“, wundert sich Nicki. „Oh, das heißt nur, dass es sich um eine teilberittene, 480 Mann starke Kohorte handelte, deren Soldaten, Kelten vom Stamm der Varcianer, das römische Bürgerrecht besaßen“, glänzt Nina mit ihrem Wissen.

„Varcianer, wo waren denn die zu Hause?“, fragt Nicki nach. „In Pannonien, im heutigen Ungarn“, weiß Nina. „Diese Kohorte war es auch, die das Lager zu Beginn des 2. Jahrhunderts in Stein ausbaute – aber nur die Lagermauern, die Zentralbauten und eines der Lagerhäuser. Trotzdem war das Kastell, wie alle anderen Lager der Römer dieser Zeit auch, immer noch keine auf Verteidigung ausgelegte Festung. Die Truppe sollte im Kriegsfall ja ausrücken und den Feind im Feld bekämpfen.“

„Hat das Kastell die Frankeneinfälle im 3. Jahrhundert heil überstanden?“, fragt Nicki nach. „Nein, hat es nicht“, antwortet Nina. „Das Lager und das Dorf sind in den Jahren 274 und 275 völlig verwüstet worden. Erst nach einigen Jahren haben die Römer das Lager wieder aufgebaut. Erst einmal provisorisch. Unter Kaiser Diocletian haben die Römer dann ein völlig neues, deutlich kleineres Lager gebaut. Getrennt durch eine Mauer, lagerten darin sowohl Fuß- als auch Reitertruppen.

Komischerweise hatte das Lager nur ein einziges Tor an einer der Ecken des Lagers. 100 Jahre später wurde auch dieses Lager zerstört.“ „Hat es hier zum Schluss auch so eine Festung gegeben wie in Deutz oder Haus Bürgel?“, fragt Nicki. „Ja, die ist aber erst im Jahr 370 entstanden. Rund zehn Jahre später erhielt diese Festung noch halbrunde Türme. In den nächsten 100 Jahren wurde die Festung immer weiter verstärkt“, erzählt Nina. „Und was ist danach mit der Festung passiert?“, fragt Klaus. „Das wissen wir nicht genau“, bedauert Nina. „Was wir wissen, ist, dass das Gelände auch nach dem Abzug der letzten römischen Soldaten weiter bewohnt wurde.“

Die Animation des Lagers Gelduba mit Lagerdorf im 2. Jahrhundert nach Christus im Archäologischen Museum Burg Linn
Die Animation des Lagers Gelduba mit Lagerdorf im 2. Jahrhundert nach Christus im Archäologischen Museum Burg Linn

Archäologisches Museum Burg Linn

Wer mehr über die Römer in Gelduba erfahren möchte, sollte unbedingt das Archäologische Museum Burg Linn besuchen. Alles Wichtige zum Besuch dort steht auf der Website des Museums unter www.museumburglinn.de.

Monheim–Haus Bürgel

Heute erkundet Nicki Nuss mit seinen Freunden das Haus Bürgel. Dort stand früher ein kleines römisches Kastell. Man kann heute noch sehen, wie die Soldaten (und wahrscheinlich ihre Familien) dort gewohnt, Gemüse angebaut und Brot gebacken haben.

Soldaten oder Bauern?

„Sag mal, Nina, das ist doch hier ein großer Bauernhof und kein Römerlager“, stellt Nicki erstaunt fest. Die Freunde stehen vor Haus Bürgel in Monheim am Rhein. „Du hast schon recht“, bestätigt Nina. „Heute ist das hier ein großer Bauernhof, auf dem Kaltblutpferde gezüchtet werden.

Im Mittelalter war das ein befestigter Gutshof. Im Kern stecken hier immer noch die Mauern eines römischen Kastells drin. Die Mauern waren so dick und fest, dass sie immer weiter benutzt wurden. Die heutigen Ausmaße von Haus Bürgel entsprechen noch etwa denen des Kastells. Bis zu einer Höhe von vier Metern ist der antike Mauerkern an zahlreichen Stellen erhalten. Doch der größte Teil der römischen Anlage liegt als Fundamentrest unter der Erde verborgen“, erzählt Nina. „Wie groß war denn das Kastell ungefähr?“, quakt Klaus dazwischen.

„Haus Bürgel war viel kleiner als andere Kastelle. Es maß nur ungefähr 64 mal
64 Meter“, berichtet Nina. „Es ist im 4. Jahrhundert entstanden. Eine unruhige und gefährliche Zeit damals. Die Germanen bedrohten das Römische Reich. Der römische Kaiser Constantinus ließ deshalb während seiner Regierungszeit von 306 bis 337 nach Christus längs des Rheins eine Reihe von steinernen Kastellen errichten. Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass das Kastell Haus Bürgel dazugehörte“, weiß Nina zu berichten.

„Wenn das Kastell so klein war, dann waren hier ja nur ganz wenige Soldaten stationiert?“, fragt Nicki Nuss. „Stimmt, hier waren nur ungefähr 150 Soldaten untergebracht“, bestätigt Nina. „Also zwei Zenturien“, wirft Klaus stolz ein. „Genau. Und anders als in größeren Lagern, eins davon war zum Beispiel im Kölner Stadtteil Deutz, dürften hier in Monheim keine Legionäre gelebt haben, sondern Föderaten“, fährt Nina fort.

Einer der Besucherführer im Römermuseum Haus Bürgel in der Kleidung und Bewaffnung eines elbgermanischen Föderaten des 4. Jahrhunderts.

„Was sind denn Föderaten?“, will Nicki wissen. Nina kann antworten: „Wörtlich heißt das ‚Vertragspartner‘. Das waren Krieger, die keine Römer, sondern häufig Germanen waren und trotzdem für die Römer kämpften.“

„Was hatten die Föderaten denn von ihrem Vertrag mit Rom?“, will Nicki Nuss wissen. Nina weiß natürlich wieder die Antwort: „Als Gegenleistung bekamen sie Versorgungsgüter – also Essen, Kleidung, Waffen und oft auch Land im Römischen Reich – zugewiesen, auf dem sie wohnen und Gemüse und Getreide anbauen konnten.“

„Waren die Soldaten etwa gleichzeitig auch Bauern?“, will Nicki Nuss wissen. „Ja, sie haben sich selbst versorgt“, kann Nina bestätigen.

„Ihr Brot haben die Soldaten auch selbst gebacken“, wirft Klaus ein. „Woher weißt du das?“, fragt Nicki erstaunt. „Da drüben steht ein römischer Backofen!“, ruft Klaus und hüpft in den Innenhof. „Und schaut mal, hier auf dem Ziegel im Ofen sind die Pfotenabdrücke einer Katze!“ „Und nebenan sind die Abdrücke eines Soldatenschuhs, mit ganz vielen Nägeln drunter“, ergänzt Nicki. „Stimmt alles“, meint Nina. „So kann man sich einen römischen Backofen wie diesen Nachbau vorstellen. Diesen haben Archäologinnen und Archäologen hier aber nicht ausgegraben.“

Das Modell des spätantiken Kastells Haus Bürgel im Eingangsbereich des Museums

Haus Bürgel

Bis zum Jahr 1374 lag das Haus Bürgel auf der linken Rheinseite. Bei einem Hochwasser hat der Fluss eine seiner vielen Schleifen abgeschnitten. Auf der Karte kann man den alten Rheinverlauf sogar noch gut erkennen. Wo es so schön grün ist, floss der Rhein früher entlang. Heute nennt man diesen grünen Teil Urdenbacher Kämpe und Urdenbacher Altrhein.

Informationen zum Haus Bürgel, zu den Öffnungszeiten und den Entdeckungsmöglichkeiten findest du auf www.haus-buergel.de.

Soldaten oder Bauern? Beides!

Die römischen Soldaten der Spätantike mussten sich auch als Landwirte betätigen. Die Truppen verfügten über eigenes Nutzland. Hier konnten Soldaten Getreide und Gemüse anbauen und Tiere halten. Außerhalb des Lagers konnten Archäologen und Archäologinnen eine Getreidedarre ausgraben. In einer Darre kann Getreide haltbar gemacht werden. Der Standort des Gebäudes wird am archäologischen Außenpfad mit einer Schautafel markiert.

Nahrungsmittel wie Salz, Olivenöl und Wein mussten für das Lager von weit her importiert werden. Ein Garten am archäologischen Außenpfad von Haus Bürgel zeigt die Nutzpflanzen, die in römischer und germanischer Zeit, im Mittelalter und in der Neuzeit verwendet wurden und werden.

Der Nutzgarten auf der Südseite des archäoloigschen Außenpfades