Heiß, heißer, am heißesten: In der Kalkbrennerei
Nicki Nuss platzt fast vor Neugierde. „Warum mussten die Römer eigentlich Kalk brennen? Ich dachte, Kalk sei ein weißes Pulver und brenne nicht“, fragt das Eichhörnchen. Nina macht ein schlaues Gesicht. „Weißt Du, die Römer haben den Kalk ja gebrannt und nicht verbrannt. Das bedeutet, dass sie Kalkstein in einem Ofen so lange heiß gemacht haben, bis aus normalem Kalk gebrannter Kalk wurde“, erklärt Nina. „Ähnlich wie gebrannte Mandeln? Die liebe ich zu jeder Jahreszeit!“, gesteht Nicki Nuss mit knurrendem Magen. Nina kann sich ein Lachen nicht verkneifen.
„Nein, zum Knabbern war der gebrannte Kalk nicht geeignet! Vielmehr haben die Römer ihn mit Wasser vermischt – man nennt das ‚den Kalk löschen‘ – und daraus Mörtel und Putz für Mauern gemacht“, erklärt Nina ihren Freunden. „Den Kalkstein haben die Römer übrigens hier in Bad Münstereifel direkt etwas weiter oben in einem Steinbruch abgebaut. Und da hier eine römische Straße entlanglief, konnten die Römer den gebrannten Kalk auch schnell in ihre Städte und Legionslager am Rhein transportieren. Praktisch, oder? Gelöscht und mit Sand vermischt wurde der Branntkalk nämlich erst auf der Baustelle.“
Nicki, Nina und Klaus stehen vor den Resten der römischen Kalkbrennerei in Bad Münstereifel-Iversheim. „Die Reste von sechs Brennöfen haben Archäologen und Archäologinnen hier ausgegraben“, weiß Nina zu berichten. „Zwei davon haben sie aber wieder zugeschüttet.“ Klaus nickt mit dem Kopf. „Im Boden sind archäologische Funde ja am besten vor Wind, Wetter und uns Besuchenden geschützt.“„Wir würden doch aber nie etwas kaputt machen!“, ruft Nicki empört. „Na ja“, sagt Nina und versucht, die Wogen zu glätten. „Natürlich nicht absichtlich. Aber so etwas kann ja auch unabsichtlich passieren, oder nicht?“ „Ja, stimmt schon.“ Nicki ist wieder besänftigt.
„Mit dem Brennen des Kalks waren die Römer bestimmt viel beschäftigt!“, sagt Nicki Nuss und stellt sich gerade vor, wie ihm der Staub aus gebranntem Kalk auf der Haut, in den Augen und im Mund brennt und ihn zum Husten bringt. „Ja“, bestätigt Nina. „Wahrscheinlich haben die Römer hier jeweils drei Öfen als Gruppe betrieben. Ein Ofen brannte, ein Ofen kühlte aus und ein Ofen wurde neu befüllt.“
„Wisst ihr eigentlich, dass hier keine Mitarbeiter von einer Firma gearbeitet haben, sondern Soldaten?“, fragt Nina. „Ja, weiß ich“, antwortet Nicki. Wenn er vom Kalkbrennen auch bisher keine Ahnung hatte, mit der römischen Armee kennt Nicki sich inzwischen gut aus.
„Das waren Legionäre aus Xanten.“ „Stimmt!“ Klaus hüpft vor Freude darüber, dass er auch mitreden kann. „Das steht auf Inschriftensteinen, die hier gefunden wurden. In einer benachbarten Kalkbrennerei waren es Soldaten aus Bonn.“
„Aber wenn das hier Soldaten waren, dann muss es doch auch ein Militärlager gegeben haben“, wirft Klaus ein. „Ja, klar!“, bestätigt Nina. „Das Lager, das zeitlich zu den Resten der ausgegrabenen Kalkbrennerei gehört, lag wahrscheinlich zwischen der Bundesstraße und der Erft. Es gibt auch noch ein älteres Lager. Dessen Reste liegen unter der Eisenbahnlinie.“
„Ein älteres Lager?“ Nicki ist verwirrt. „Ja, so ungefähr 150 Jahre lang haben die Römer hier Branntkalk hergestellt“, erklärt Nina. „Von der Mitte des 2. Jahrhunderts bis etwa zum Jahr 300. So lange hält kein Ofen. Die Anlage wurde also zwischendurch erneuert – und eben auch ein neues Lager gebaut. Dann haben die Römer die Anlage ziemlich fluchtartig aufgegeben. Einen der Öfen haben sie nach dem Brennen noch nicht einmal ausgeräumt. In diesem Ofen haben die Archäologen und Archäologinnen bei der Ausgrabung noch den Inhalt aus gebranntem Kalk gefunden.“ „Heiß war dieser Kalk aber sicher nicht mehr?“, scherzt Nicki Nuss und macht einen Vorschlag. „Sollen wir jetzt was trinken? Ich möchte nämlich keinen Kalk, sondern meinen Durst löschen!“
So funktionierten römische Kalkbrennöfen
Drei der römischen Öfen in Iversheim liegen heute in einem modernen Schutzbau, in dem es auch eine kleine Ausstellung gibt. Nebenan gibt es einen weiteren Ofen, der sich auch besichtigen lässt, wenn die Ausstellung nicht geöffnet ist. Den haben Archäologen und Archäologinnen vor einigen Jahren vollständig nachgebaut. Sie wollten ausprobieren, wie so ein römischer Kalkofen funktioniert hat.
Ein Kalkbrennofen ist eigentlich ein mehrere Meter hoher, gemauerter Schacht. Mit seinem unteren Ende ist der Ofen in den Hang gebaut. Wenn man so einen Ofen flach durchschneidet, dann hat er etwa die Form einer drei Meter langen Birne. Da, wo bei der Birne der Stiel sitzt, ist die sogenannte Ofenschnauze. Durch ein Loch in der Ofenschnauze wird das Feuer angezündet. Auf halber Höhe hat jeder Brennofen einen Absatz, die Ofenbank. Darauf haben die Römer ein Holzgerüst gebaut, das wie eine Kuppel geformt war. Und auf dieser Kuppel haben sie dann den Kalkstein in den Ofen gefüllt. Wenn sie das richtig gemacht haben, dann hielten die Steine hinterher von alleine – wie bei einem römischen Bogen. Dieses Gewölbe wird „Himmel“ genannt.
Wenn der Ofen bis zum Rand voll war, haben die Römer unten alles voller Holz gestapelt und das dann angezündet, mit einem Feuer, das etwa 1050 Grad Celsius heiß war. So haben sie mit jeder Füllung 25 Tonnen Kalk gebrannt. Das passt heute gerade so auf einen Lastwagen.
Sechs bis sieben Tage lang hat es gedauert, bis der Ofen nach dem Brennen wieder abgekühlt war und die Römer den Branntkalk ausräumen konnten. Drei weitere Tage haben sie dann gebraucht, um den gebrannten Kalk aus dem Ofen zu räumen und den Ofen neu zu befüllen.
Weitere Informationen zur Kalkbrennerei in Bad Münstereifel-Iversheim findet ihr auf www.bad-muenstereifel.de.