Köln-Deutz

Ganz schön aufgeregt ist das Trio in Köln-Deutz unterwegs. Im Straßenpflaster entdecken Nicki Nuss und Klaus dunkle Streifen und sind dann erstaunt, als Nina ihnen erklärt, was sie bedeuten.

Der Brückenkopf gegen die Franken: Das Kastell Divitia

„Du, Nina, warum heißt das hier eigentlich die ‚schäl Sick‘?“, fragt Nicki Nuss. Nina, Klaus und das Eichhörnchen sind mit der Kölner Straßenbahn auf die rechte Rheinseite gefahren. „Das weiß niemand so ganz genau“, gibt Nina offen zu. „Eine mögliche Erklärung ist, dass im Römischen Reich seit dem 4. Jahrhundert die meisten Menschen Christen geworden waren. Die Germanen auf der rechten Rheinseite glaubten aber noch an ihre vielen alten Götter. Der höchste germanische Gott war der einäugige, also ‚schäle‘ Gott Wotan. Und so wurde die Rheinseite, auf der man an den ‚schälen‘ Wotan glaubte, die ‚schäl Sick‘.“

„Und warum haben die Römer ausgerechnet hier in Deutz das Kastell Divitia gebaut?“, fragt Nicki und läuft mit seinen Freunden von der Haltestelle „Deutzer Freiheit“ in Richtung Kennedyplatz. „Na ja, die Römer waren ganz schön misstrauisch gegenüber den Germanen“, erwidert Nina. „Immerhin hatten germanische Plünderer das Römische Reich seit der Mitte des 3. Jahrhunderts immer wieder heimgesucht. Kaiser Constantinus ließ dann in Köln irgendwann zwischen den Jahren 307 und 315 eine Brücke über den Rhein bauen. Auf der germanischen Seite ließ er zur Sicherung der Brücke ein Kastell errichten.“

So könnte die römische Brücke über den Rhein einmal ausgesehen haben.

„Aber warum haben die Römer dann überhaupt eine Brücke gebaut, wenn sie so viel Angst vor den Germanen hatten?“, will Klaus wissen. „Weil sie den Germanen – und vielleicht auch ein bisschen sich selbst – demonstrieren wollten, dass sie keine Angst vor ihnen hatten“, erklärt Nina. „Hihi, auf ein Kastell zur Sicherung der Brücke wollten sie dann aber doch nicht verzichten“, spöttelt Klaus ein wenig.

„Das Kastell ist viel jünger als die übrigen, die man sonst entlang des Limes gefunden hat. Die meisten sind in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts entstanden. Das Kastell in Deutz aber wurde erst im Jahr 315 fertiggestellt“, erzählt Nina. „Als die Römer ihre Beamten aus Köln abzogen, wurde auch das Kastell Deutz verlassen. Danach wurde es von den neuen fränkischen Herren übernommen und als Königsburg genutzt.“

„Schaut mal“, ruft Nicki. „Hier stehen wir ja schon direkt vor dem östlichen Kastelltor.“ „Stimmt“, bestätigt Nina. „Hier musste jeder durch, der von der germanischen Seite aus über die Brücke nach Köln wollte. Das ging nur durch das Kastell. Im Straßenpflaster könnt ihr die Grundrisse der Baracken als dunkle Streifen noch erkennen.“

„Und warum sind da drüben vor der Kirche noch ein paar dunkle Quadrate im Pflaster?“, will Klaus wissen. Er hüpft auf einen der Blumenkästen, die auf einigen der Quadrate aufgestellt sind. „Das waren mal Säulengänge an den Baracken in der Kastellmitte. Und das sind die Stützpfeiler davon“, erklärt Nina. „Die Säulengänge haben einen kleinen Platz umrahmt.“

„Was! Wir stehen hier schon in der Mitte des Kastells?“, fragt Klaus. „In Bonn sind wir eine halbe Ewigkeit gelaufen, bis wir um das Lager herum waren.“ „Hier war keine große Legion mehr stationiert“, erklärt Nicki. „Im 4. Jahrhundert war eine Legion der Grenztruppen, der sogenannten limitanei, nur noch ungefähr 1 000 Mann stark.“

Klaus hört gar nicht mehr richtig zu. Er ist nämlich schon ein bisschen weitergehüpft. „Kommt mal her!“, ruft er, „hier gibt es noch mehr! Hier kann man die Grundrisse der Kastellmauer und von zwei Türmen in der Wiese sehen!“ „Das war die Nordmauer mit dem mittleren und den beiden westlichen Türmen“, ergänzt Nina.

„Aber ich sehe doch nur die Grundrisse von zwei Türmen“, beschwert sich Klaus. „Schau mal dort drüben, an der Treppe am Rheinufer“, erwidert Nina. „Seht ihr die halbrunde Aussichtsplattform? Darunter ist der Rest des nordwestlichen Eckturms.“ „Oh, so eine schöne Aussicht!“, rufen Nicki und Klaus fast gleichzeitig – und brechen dann in wildes Gelächter aus. „Ja kommt, lasst uns ein bisschen die Sonne genießen.“ Nina kann nur den Kopf schütteln über so viel Albernheit.

Die rekonstruierten Mauern des Osttores des Kastells Divitia

Wenn schon ein Kastell, dann beeindruckend!

Der Grundriss des Kastells war quadratisch mit 141 Metern Seitenlänge. 14 runde Türme unterbrachen diese Mauer. Auf ihnen waren Plattformen für Wurfmaschinen. Im Westen und Osten des Kastells befanden sich massive Tore. Sie bestanden aus je zwei Doppeltürmen mit hufeisenförmigem Grundriss. Im Kastell standen 16 Baracken, mit den Schmalseiten auf die von West nach Ost verlaufende via praetoria ausgerichtet, die größte Straße im Lager. Die Soldaten lebten in zwölf dieser Bauten, pro Baracke eine Zenturie oder Einheit. Außerdem gab es Werkstätten und in einer Baracke ein Bad. In den vier Bauten in der Mitte des Kastells waren die Kommandantur, der Stab, die Verwaltung und die Offiziere untergebracht. Die Straßen waren mit einer dünnen Schicht Kies befestigt. Unter den Straßen lag das Entwässerungsnetz aus Holzkanälen. Vor der Kastellmauer befand sich ein 30 Meter breiter Freiraum, umgeben von mindestens einem Wehrgraben.

Köln-Praetorium

In Köln erfährt das neugierige Trio, was ein Statthalter ist und welche Aufgaben er damals hatte. Nämlich eine ganze Menge!

Das praetorium

„Du, Nina, warum stehen wir hier vor einer Baustelle?“, will Klaus wissen. Nicki Nuss, Nina und Klaus sind nach Köln gefahren und stehen tatsächlich vor einem Bauzaun. „Hier entsteht das MiQua, das Jüdische Museum inmitten von Köln. Hier hat man auch ganz viele römische Ruinen gefunden. Deswegen nennt man diesen Teil von Köln auch archäologisches Quartier“, weiß Nina. „Das Museum wird genau da gebaut, wo in römischer Zeit das praetorium stand.“ Nicki runzelt die Stirn und unterbricht Nina: „Was ist ein praetorium?“ „Ein Palast! Er war zuerst das Hauptquartier des niedergermanischen Heeres. Ab dem späten 1. Jahrhundert nach Christus diente er dann als Sitz des Statthalters der Provinz Niedergermanien.“

„Was ist denn ein Statthalter?“, fragt Klaus. „Der Statthalter war der Stellvertreter des Kaisers“, weiß Nina. „Und so ein wichtiger Mann saß hier in Köln?“, fragt Nicki Nuss erstaunt. „Ja“, antwortet Nina. „In jeder römischen Provinz gab es solche Statthalter. Sie nahmen im Namen des Kaisers militärische und andere organisatorische Aufgaben wahr. Die Statthalter wohnten in der Hauptstadt der jeweiligen Provinz. Und für Niedergermanien war das Köln. Sie waren sozusagen die Bürgermeister der stationierten Truppen entlang des Rheins und höchste Richter. Ihre wichtigste Aufgabe: Sie sollten die römische Ordnung in der Provinz bewahren.“

„Oh, das war aber dann eine Menge Arbeit“, wirft Klaus ein. „Auf jeden Fall! Denn Niedergermanien, die Region rund um Köln, war eine Grenzprovinz. Die Statthalter mussten also die Grenze sichern“, erzählt Nina. „Mit der Macht über Legionen und über die Flotte hatte der Statthalter eine große Verantwortung. Außerdem musste er sich um den Ausbau der Wirtschaft und der Straßen kümmern.“

„Aber das hat er doch sicher nicht alles alleine geschafft“, meldet sich Nicki Nuss zu Wort. „Natürlich nicht“, bestätigt Nina. „Ihm halfen ein ganzer Führungsstab und mehrere Hundert Leute an Personal. Dazu gehörten die Benefizier – das waren ihm direkt unterstellte Soldaten –, seine Leibgarde, die ihn beschützte, seine Schreiber, Rechtsgelehrte und weitere Bedienstete.“

„Wo kamen denn all diese Leute her?“, fragt Klaus. „Die meisten Leute aus dem sogenannten officium waren Soldaten der Provinz“, antwortet Nina. „Fast alle wohnten direkt vor Ort. Deshalb mussten eine Menge Leute im praetorium untergebracht werden. Neben den Büros und Schreibstuben gab es daher auch viele Wohnungen und Gemeinschaftsunterkünfte. Das praetorium hatte sogar eigene Thermen.“ „Stimmt ja“, meint Nicki. „Die Römer haben ja mindestens genauso gerne gebadet wie Klaus!“

Römische Statthalter

Statthalter konnten in der frühen und mittleren Kaiserzeit nur Mitglieder des stadtrömischen Senats werden. Die Statthalter konnten jederzeit wieder vom Kaiser abberufen werden. Nach zwei bis drei Jahren kehrten sie nach Rom zurück. Für die Dauer ihrer Amtszeit holten die Statthalter ihre Familien aus Rom an den Rhein.

Für die römische Verwaltung unerlässlich: Wachstäfelchen, Schreibgriffel, Tintenfass und bronzene Schreibfeder aus dem römischen Hafen von Köln.

Achtung, jetzt kommt ein komplizierter Begriff:
Das praetorium der Colonia Claudia Ara Agrippinensium

Das praetorium war das Verwaltungszentrum der römischen Provinz Niedergermanien. Vom Rhein aus gesehen war es das auffälligste Gebäude der Stadt. Im Süden erhoben sich verschiedene Tempelanlagen und Teile des Forums. Im Norden schlossen sich große Stadtvillen an. Es war das größte und ist das am besten erforschte römische Bauwerk entlang des Rheins. Die steinernen Überreste von insgesamt vier nachgewiesenen Bauphasen sind erhalten geblieben.

Das praetorium um 100 nach Christus
Das praetorium etwa 250 Jahre später

Köln-Alteburg

Heute sind Nicki Nuss, Nina und Klaus in Köln-Marienburg unterwegs und erkunden das frühere Gelände des Römerlagers Alteburg. Bei einem Spaziergang lernen sie ganz viel über Schiffe.

Die Sicherung der fließenden Grenze

Von Bonn aus sind Nicki Nuss, Nina und Klaus weiter den Rhein hinab nach Köln in den Stadtteil Marienburg gereist. Auch hier stehen sie direkt am Rhein. An der Haltestelle Bayenthalgürtel machen sie sich auf den Weg, das Viertel zu erkunden.„Hier ist ja schon wieder nichts Römisches zu sehen“, stellt Nicki Nuss fest. „Nicht ganz“, entgegnet Nina. „Hier kann man das Römerlager am Verlauf einiger Straßen erkennen. Rechteckig oder quadratisch war dieses Lager aber nicht – keiner weiß, warum. Das ist ganz untypisch für die Römer.“

„Innendrin war das Lager aber fast genauso aufgeteilt wie in anderen Städten, beispielsweise in Bonn, und wie alle anderen Militärlager der Römer auch“, weiß Nina zu berichten. „Und genau wie in Bonn besaß das Lager hier zuallererst eine Holz-Erde-Mauer. Da war das Lager noch zum Rhein hin offen. Erst als die Soldaten eine Steinmauer gebaut haben, haben sie die Seite am Fluss befestigt. Ein Graben rundherum durfte natürlich nicht fehlen.“

„Dieses Römerkastell war etwas ganz Besonderes“, erzählt Nina weiter. „Hier war der Hauptstützpunkt der römischen Flotte am Rhein. Die Römer nannten sie classis Germanica.“ „Hey, also Leute, die sich auf dem Wasser genauso zu Hause fühlen wie an Land. So wie ich!“, ruft Klaus begeistert. „Na ja, aber anders als du brauchten die Soldaten Schiffe auf dem Wasser“, schmunzelt Nina.

Bau einer Holz-Erde-Mauer Anfang des 1. Jahrhunderts

„Wie viele Schiffe hatten die hier wohl?“, fragt Nicki Nuss. „Die Archäologen und Archäologinnen schätzen, dass hier ungefähr 36 Schiffe stationiert waren. Jedes davon hatte eine Besatzung von 64 Mann.“ „Aber für so viele Schiffe waren hier ja gar nicht genügend Soldaten stationiert!“, wirft Klaus ein. „Das hast du aber schnell ausgerechnet“, lobt Nina. „Es waren aber auch nie alle Schiffe auf dem Wasser. Es mussten ja immer wieder Schiffe repariert werden. Dafür haben die Römer die Schiffe in Schiffshäusern gelagert. Dort konnten sie auch gut repariert werden. Es wird geschätzt, dass es 27 bis 30 Schiffshäuser waren.“

„Und wie haben die Schiffe ausgesehen, mit denen die römischen Soldaten hier auf dem Rhein gefahren sind?“ Nicki will es mal wieder ganz genau wissen. „Die Römer benutzten hier die sogenannte Liburne“, erklärt Nina. „Das ist ein mittelgroßes Kriegsschiff, ungefähr 25 Meter lang, mit zwei Reihen von Ruderern an jeder Seite – das Standard-Kriegsschiff der Römer überhaupt. Die Römer haben diese Schiffe auf ihren Münzen abgebildet. Und ein Römer hat sogar ein Bild eines solchen Schiffes auf eine Tonscherbe gekritzelt“, berichtet Nina. „Oh, ja, das war wohl ein Kind, dessen Papa Matrose auf einem solchen Schiff war“, freut sich Klaus. „Das könnte durchaus sein“, meint Nina.

„Die Schiffe sehen ziemlich schnittig aus“, findet Nicki. „Das waren sie auch“, bestätigt Nina. „Schnell und wendig waren sie. Auf den Schiffen dürften vorne kleine Türme gestanden haben, auf denen Schleudergeschütze installiert waren“, berichtet Nina. „Was haben die Römer denn geschleudert?“, will Klaus wissen. „Im Flottenlager konnten Archäologen und Archäologinnen eine große Menge an Steinkugeln ausgraben. Diese waren aus Tuffgestein und haben als Geschosse gedient“, erklärt Nina.

Kugeln aus Tuffgestein: Sie dienten auf den Schiffen der Rheinflotte als Katapult-Geschosse.

Die Waffen der römischen Soldaten

Die Soldaten der römischen Flotte waren genauso bewaffnet wie die Soldaten der Auxiliar-Kohorten. Zwar hatten römische Kriegsschiffe einen sogenannten Rammsporn, häufig aus Metall, zum Rammen feindlicher Schiffe, die hauptsächliche Taktik der römischen Flotte war aber der Enterkampf.

Die gefundenen Waffen im Flottenkastell Alteburg entsprechen voll und ganz der Bewaffnung römischer Auxiliar-Einheiten (Hilfstruppen).
Gewichte zum Weben aus dem Flottenkastell Alteburg

Werkzeuge der Römer

Im Kastell wurden Nadeln aus Knochen geschnitzt, Leder verarbeitet und Gegenstände aus Buntmetall hergestellt. Besonders fällt die hohe Zahl von schweren Gewichten auf, die man zum Weben benötigt hat – schließlich mussten die Segel vor Ort gepflegt werden. Werkzeuge wie Äxte, Sägeblätter, Meißel, Schaber oder Spaten, Sichel, Gartenmesser sowie Rasensoden-Stecher zeigen uns, dass die Römer damals viel mit Holz- und Schanzarbeiten  beschäftigt waren.

Der Lageplan des Kastells Alteburg

Das Kastellareal befindet sich im Kölner Stadtteil Marienburg nahe des Rheins. Seine ungefähre Lage wird vom Verlauf der Straßen Unter den Ulmen im Westen, Bayenthalgürtel im Norden, An der Alteburger Mühle im Osten und Auf dem Römerberg im Süden umrissen. Wie auch die anderen Lager am Rhein lag die Flottenbasis auf einer erhöhten und hochwassersicheren Terrasse oberhalb des Flusses.