Kleve-Keeken

In Kleve-Keeken erfahren die drei Freunde viel darüber, wie Archäologinnen und Archäologen arbeiten. Mit den unterschiedlichsten Methoden finden die Forscherinnen und Forscher nämlich heraus, wie es zur Zeit der Römer hier ausgesehen haben müsste. Auch, wenn sie nichts ausgraben …

Archäologie ohne Ausgrabung

„Hier ist der Rhein auch heute noch eine Grenze“, meint Nina und zeigt nach Norden. „Da drüben, keinen Kilometer von hier entfernt, auf der anderen Rheinseite, sind die Niederlande.“ Nina, Nicki Nuss und Klaus stehen an der Ecke Düffelgaustraße und Kranichweg in Kleve, im Ortsteil Keeken. „Und hier“, Nina zeigt in die andere Richtung, „ist das letzte Römerlager auf unserer Tour. Das haben die Römer an einer ganz wichtigen Stelle gebaut. Denn nur ein bisschen weiter rheinabwärts gabelt sich der Rhein und umfließt die Bataver-Insel.“

„Ach je, Nina, hier ist ja schon wieder nichts von dem Lager zu sehen“, beschwert sich Nicki. „Das liegt daran, dass auch hier nichts ausgegraben wurde“, erklärt Nina. „Das Thema hatten wir doch schon: Archäologinnen und Archäologen machen heute nur noch dann eine Ausgrabung, wenn ein Denkmal im Boden von der Zerstörung bedroht ist oder wenn sie ganz spezielle Fragen haben. Denn auch ein Bodendenkmal auszugraben, bedeutet, es zu zerstören. Deswegen gehen Archäologinnen und Archäologen bei der Ausgrabung immer planvoll und mit Bedacht vor. Alles, was sie finden, wird sorgfältig beschrieben, fotografiert, gezeichnet und vermessen. Anschließend kommen die Unterlagen in ein Archiv und die Funde werden gereinigt, verpackt und in einem Magazin gelagert. Nur so bleiben die bei der Ausgrabung gewonnenen Informationen für die Forschung erhalten.“

Hier findet eine sogenannte Rammkern-Bohrung auf dem Gelände des Legionslagers Neuss statt.
Hier findet eine sogenannte Rammkern-Bohrung auf dem Gelände des Legionslagers Neuss statt.

„Aber wie haben die Archäologen und Archäologinnen das Lager hier finden können?“, hakt das Eichhörnchen nach. „Durch die Auswertung von Luftbildern. Wo die Reste von alten Bauwerken im Boden liegen, wachsen Pflanzen nämlich anders. Das kann man aus der Luft sehen. So wurde auch der doppelte Graben entdeckt, der das Lager hier umschloss.“

„Wie groß war denn das Lager?“, will Klaus wissen. „War hier eine ganze Legion stationiert?“ „Der vollständige Umriss des Lagers ist nicht bekannt“, erklärt Nina. „Auch Gebäude im Lagerinneren sind nicht nachgewiesen. Genauso wenig weiß man, ob hier dauerhaft Truppen stationiert waren oder ob das Lager nur als Durchgangsstation diente. Auf jeden Fall war die Kontrolle über die Flussverzweigung hier sehr wichtig. Immerhin waren Rhein und Waal die Verbindung Niedergermaniens zur Nordsee und damit nach Britannien.“

„Aber wenn an so vielen Stellen gar nicht ausgegraben wurde, wie haben die Archäologen und Archäologinnen all das herausgefunden, was du uns entlang des Niedergermanischen Limes erzählt hast?“, fragt Klaus bei Nina nach. Nina nimmt sich Zeit für eine Antwort: „Zunächst ist da einmal die Prospektion. So nennt man eine Vor-Suche. Oft sind es ja zufällige Funde von einzelnen Objekten auf einem Feld oder einer Wiese, die die Archäologinnen und Archäologen auf die Spur bringen. Wenn aufgrund solcher Zufallsfunde ein Verdacht auf weitere Reste im Boden besteht, dann wird die Fläche drumherum abgesucht, um sogenannte Lesefunde einzusammeln. So bekommt man schon einmal eine Idee vom Alter und von der möglichen Ausdehnung eines Bodendenkmals. Mithilfe von Bohrungen erhält man dann weitere Informationen über Bodenaufbau und -verhältnisse.“

„Oh Mann, so viele Untersuchungen schon vor der Ausgrabung!“, wundert sich Nicki Nuss. „Es wird noch besser“, fährt Nina fort. „Jetzt kommt die Geophysik zum Einsatz, nämlich zum Beispiel die Messungen des magnetischen Feldes der Erde und des elektrischen Widerstandes des Bodens. Man kann die obersten Bodenschichten auch mit Radarstrahlen durchleuchten. Das macht man in einem regelmäßigen Raster. Mit der Magnetik lassen sich besonders gut größere Objekte zum Beispiel aus Eisen, Basalt oder gebranntem Ton nachweisen. Auch verfüllte Gräben und Gruben sind mit diesem Verfahren oft gut zu erkennen. Der elektrische Widerstand im Boden wird in erster Linie durch den Wassergehalt bestimmt. Man misst also, wie viel Wasser der Boden speichert“, erläutert Nina und beeindruckt ihre Freunde wieder einmal mit ihrem Wissen.

Luftbild der westlichen Ecke des Doppelgrabens des Lagers von Kleve-Keeken: Zwischen den hellen Spuren des Traktors sind die beiden Gräben als dunkle Linien deutlich zu erkennen.
Luftbild der westlichen Ecke des Doppelgrabens des Lagers von Kleve-Keeken: Zwischen den hellen Spuren des Traktors sind die beiden Gräben als dunkle Linien deutlich zu erkennen.

„Und erst dann wird ausgegraben?“, wundert sich Nicki. „Ja“, bestätigt Nina, „und dann werden auch nicht wild Löcher gebuddelt und die gefundenen Sachen einfach aus dem Boden gerupft. Erst wird alles genau gemessen, gezeichnet und fotografiert. Erst, wenn das alles erledigt ist, kommen die gefundenen Gegenstände in die Restaurierungswerkstatt eines Museums. Genauso wichtig wie die Funde, also die Sachen, die man ausgraben kann, sind übrigens auch die Befunde. Das sind Veränderungen im Boden.

So eine Veränderung kann zum Beispiel ein Graben sein, der im Laufe der Zeit wieder verfüllt wurde. Ganz häufig sind auch dunkle Flecken im Boden, die uns zeigen, wo einmal die heute meist längst verfaulten Holzpfosten eines Hauses in der Erde gesteckt haben. Ohne das Wissen über diese Strukturen und ihre Anordnung zueinander sind alle Funde, die heute in den Museen liegen, wissenschaftlich fast wertlos.“

Remagen

In Remagen stehen die drei Freunde vor einer alten Mauer und erfahren, wie hier Soldaten für sich und ihre Pferde zuerst kleine und später größere Lager gebaut haben.

Fußsoldaten und Reiter im Kastell Rigomagus

Nicki Nuss, Nina und Klaus haben sich auf den Weg gemacht, um sich die Spuren der Römer am Niedergermanischen Limes genauer anzusehen. In Remagen, nicht weit von der Grenze zwischen den römischen Provinzen Obergermanien und Niedergermanien, beginnen sie ihre Entdeckertour. Von hier geht es rheinaufwärts bis an die heutige Grenze zu den Niederlanden.

„Schaut mal“, ruft Nicki ganz aufgeregt, „da ragen alte Mauern aus dem Boden!“ Nina, Klaus und Nicki Nuss stehen neben der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul. „Hier stand ein römisches Kastell“, erzählt Nina. „Kein großes für eine ganze Legion, sondern ein kleineres, für eine Einheit der Hilfstruppen, die sogenannten Auxiliare.“

„Und was für eine Einheit war das?“, will Klaus wissen. „Das war eine sogenannte cohors equitata, also eine teilweise berittene Einheit mit Pferden“, erklärt Nina. „Solch eine teilberittene Gruppe, man nannte sie auch Kohorte, bestand aus 480 Mann Fußsoldaten und 120 Reitern.“

„Wann haben die Römer denn dieses Lager gebaut?“, will Nicki Nuss es genau wissen. „Das ist eine längere Geschichte.“ Nina holt mit den Armen aus. „Im Jahr 1900 stießen Bauarbeiter auf die Reste einer hölzernen Pfahlreihe. Bei der Untersuchung eines Holzpfahls wurde festgestellt, dass der Baum, von dem der Balken stammte, zwischen den Jahren 6 vor Christus und 6 nach Christus gefällt worden war. Neben dem Balken fanden die Leute auch ein pilum murale. Das ist einer der Schanzpfähle, von denen jeder römische Soldat zwei Stück mitführte. Damit haben die Soldaten die Wälle ihrer Marschlager befestigt.“

„Haben die Soldaten die Schanzpfähle tragen müssen?“, fragt Klaus. „Puh, das wäre aber ziemlich schwer gewesen“, wirft Nicki ein. „Das wäre es tatsächlich“, erklärt Nina. „Zum Glück hatte jedes contubernium, also jede Stuben- beziehungsweise Zeltgemeinschaft, einen Esel oder ein Maultier. Neben dem Zelt und der kleinen Getreidemühle musste das arme Tier auch noch die Schanzpfähle tragen.“

Nicki ist ein bisschen enttäuscht. „Waren die Römer damals etwa nur auf der Durchreise und sind gar nicht länger geblieben?“, fragt das Eichhörnchen geknickt. „Nein, nein, sie sind geblieben“, berichtigt Nina. „Funde von Münzen, Tongefäßen und vor allem von Gräbern zeigen, dass die Römer hier schon zur Zeit des Kaisers Augustus dauerhaft anwesend waren.“

„Dann haben die Römer doch sicherlich ziemlich schnell ein besser befestigtes Lager gebaut“, ist sich Nicki sicher. „Stimmt“, bestätigt Nina. „Ein paar Jahre später, in der Regierungszeit von Kaiser Tiberius, wurde ein größeres Holz-Erde-Kastell gebaut.“

Klaus kratzt sich an der Glatze. „Aber wir stehen hier doch vor den Resten einer Lagermauer aus Stein“, protestiert der Frosch. „Das stimmt“, sagt Nina und nickt heftig. „Das Lager hier in Remagen wurde einmal zerstört. Das war während des Aufstands der Bataver 69 bis 70 nach Christus. Als wieder Frieden herrschte, haben neue Soldaten das Lager aufgebaut – und zwar größer und diesmal aus Stein.“

Nicki runzelt die Stirn und läuft die Reste des Lagers ab: „Aber wenn ich mir das hier so anschaue, dann sind die Mauern ganz schief. Ich dachte, die Römer hätten ihre Militärlager immer quadratisch gebaut.“ „Oh, das hätten sie hier wahrscheinlich auch gerne gemacht“, fällt Nina ein. „Aber das ging nicht. Die Römer haben dieses Lager hier nämlich an eine ganz enge Stelle gequetscht, an der antiken Rheinstraße zwischen Köln und Mainz. Das Kastell diente zur Überwachung der Straße und des Rheins.“

„Das Lager stand dann übrigens etwa 250 Jahre“, fährt Nina fort. „Und dann sind die Römer abgezogen?“ Nicki macht ein fragendes Gesicht. „Nee, die haben nur ein noch besser befestigtes Lager gebaut, eine richtige Festung“, korrigiert Nina. „Das war aber erst 300 Jahre nach dem Bau des ersten Lagers. Darin muss es ziemlich komfortabel gewesen sein. Es gab ein großes Verwaltungsgebäude, das Wohnhaus des Kommandanten, das sogar eine Fußbodenheizung hatte, aber auch Gebäude, die von Handwerkern und Händlern genutzt wurden.“

„Aber für die Handwerker und Kaufleute gab es doch das Lagerdorf, den vicus!“, wirft Nicki sichtlich stolz auf sein Wissen ein. „Ja, stimmt schon“, bestätigt Nina. „Aber damals kam es immer wieder zu Kämpfen mit den benachbarten Franken. Deshalb sind die Leute aus dem vicus wohl auch in die Festung gezogen. Das Rigomagum Oppidum hat den sogenannten Germaneneinfall von 355 auch unzerstört überstanden. Das Kastell bestand bis etwa 450 nach Christus“, erklärt Nina weiter. „Nach den Römern haben es die Franken noch eine lange Zeit besetzt – so lange, bis sie es nicht mehr reparieren konnten. Ein Gräberfeld in der direkten Nachbarschaft des Kastells ist auch in fränkischer Zeit weiter genutzt worden.“

Ein besonderer Grabstein

Ein besonderer Grabstein

Ein besonderer Fund in Remagen ist der Grabstein des Soldaten Dasmenus. Der Stein stammt aus der Zeit zwischen 40 und 69 nach Christus. Das steht auf dem Stein:

Inschrift auf Latein
DASMENVS
DASI F(ilius) BREVCVS
MIL(es) EX COH(orte) VIII
BREVC(orum) ANNO(rum) XXXV
STIP(endiorum) XII H(ic) S(itus) E(st)

Inschrift auf Deutsch
Dasmenus, Sohn des Dasius, Soldat der 8. Breukerkohorte (starb) mit 35 Jahren, nach zwölf Dienstjahren; er liegt hier begraben.

Die Breuker stammten aus dem heutigen Kroatien und Bosnien. Sie stellten der römischen Armee Hilfstruppen. Ihre 8. Kohorte stand bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts in Remagen, danach am Niederrhein.

Auf dem Stein sieht man eine sogenannte tanzende Mänade. Sie gehört zum Gefolge des Gottes Bacchus. Bacchus ist der Gott der Jahreszeiten, er steht für den Kreislauf von Werden und Vergehen und verheißt seinen Anhängern eine Wiedergeburt nach dem Tod. Der Grabstein ist Teil der Sammlung im LVR-LandesMuseum Bonn.

Das Lagerdorf in Remagen

Das Lagerdorf in Remagen erstreckte sich großflächig entlang der Straße Bonn – Remagen – Koblenz. Die Siedlung bestand seit der Zeit des Kaisers Augustus und dehnte sich danach nach Osten und Südosten aus. An den Ausfallstraßen Richtung Osten, Südosten und Westen befanden sich mehrere Gräberfelder.

Die Reste römischer Gebäude sind in Remagen heute fast vollständig von der modernen Stadt überbaut. Die Lage des Kastells und der Verlauf der römischen Straßen sind aber teilweise immer noch erkennbar. Wer mehr zu den Römern in Remagen wissen will, sollte das Römische Museum in der Kirchstraße 9 unbedingt besuchen.

Kleve-Reichswald

Diesmal treffen Nicki Nuss und seine Freunde auf eine echte römische Straße. Sie erfahren, wie gründlich und ausgefeilt die Römer diese wichtigen Verbindungen zwischen ihren Standorten anlegten.

Soldaten als Straßenbauer

„Du, Nina, kann es sein, dass es sich hier mal wieder um ein Denkmal in der Erde handelt?“, fragt Nicki Nuss augenzwinkernd. „Ja, mal wieder“, bestätigt Nina und lacht. Die beiden stehen mit ihrem Freund Klaus im Reichswald von Kleve, an der Einmündung der Poststraße in die Nimweger Straße.

„Hier haben wir eine etwas andere Art von Bodendenkmal“, erklärt Nina. „Es ragte nämlich, anders als ein Gebäude oder eine Mauer, nicht sehr weit aus dem Boden heraus. Das Bodendenkmal hier ist eine Römerstraße. Es ist das Stück Limesstraße, das am deutschen Abschnitt des Niedergermanischen Limes am besten erhalten ist.“

„Ui, das ist wirklich etwas ganz Besonderes“, freut sich Nicki. „Stimmt es eigentlich, dass römische Straßen völlig gerade waren?“, will Klaus wissen. „Die waren nicht alle und nicht überall völlig gerade, aber an vielen Stellen trifft das schon zu“, bestätigt Nina. „Hier übrigens auch. Römerstraßen waren so gerade, weil sie hauptsächlich dazu dienten, Soldaten schnell von einem Ort zum anderen zu bringen. Deshalb sind sie oft die kürzeste Verbindung zwischen diesen Orten, ohne irgendwelche Kurven. Die Straße hier zum Beispiel verband das Hilfstruppenlager in Till im Osten mit dem Legionslager im niederländischen Nimwegen. Das liegt von hier aus ziemlich genau im Westen“, erzählt Nina.

Zeichnung: Oliver Hartmann
Foto: H. Berkel, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
Der Querschnitt der Römerstraße im Klever Reichswald

„Sag mal, Nina, wie kommt es eigentlich, dass römische Straßen heute überhaupt erhalten sind?“, fragt Nicki. „Waren das nicht nur bessere Feldwege– höchstens mit ein bisschen Sand oder ein paar Pflastersteinen drauf?“

„Oh, da bist du im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Holzweg“, korrigiert ihn Nina. „Eine römische Straße war ein richtiges Bauwerk. Diese Straßen reichten manchmal mehr als einen Meter in die Tiefe. So eine Römerstraße hatte in der Regel einen soliden Unterbau: ganz unten große Steine, dann Kies und obendrauf Sand. Pflastersteine auf den Straßen gab es hier aber nicht. Die Fahrbahn der Straße war gewölbt, damit Regenwasser gut in die Gräben am Straßenrand abfließen konnte. Das machte die Straßen sehr haltbar.“

„Und was genau ist hier noch von der Straße übrig?“, fragt Klaus. Nina erklärt: „Die Straße ist hier stellenweise noch gut 50 Zentimeter dick und fast sieben Meter breit. Das reichte, damit acht Soldaten nebeneinander marschieren konnten. Sie könnte aber durchaus noch ein bisschen breiter gewesen sein.“

Iversheim

In der Kalkbrennerei Iversheim bekommt Nicki Nuss Hunger auf gebrannte Mandeln, Klaus lernt den witzigen Begriff „Ofenschnauze“ kennen und Nina muss ihren Freunden wieder einmal einiges erklären.

Heiß, heißer, am heißesten: In der Kalkbrennerei

Nicki Nuss platzt fast vor Neugierde. „Warum mussten die Römer eigentlich Kalk brennen? Ich dachte, Kalk sei ein weißes Pulver und brenne nicht“, fragt das Eichhörnchen. Nina macht ein schlaues Gesicht. „Weißt Du, die Römer haben den Kalk ja gebrannt und nicht verbrannt. Das bedeutet, dass sie Kalkstein in einem Ofen so lange heiß gemacht haben, bis aus normalem Kalk gebrannter Kalk wurde“, erklärt Nina. „Ähnlich wie gebrannte Mandeln? Die liebe ich zu jeder Jahreszeit!“, gesteht Nicki Nuss mit knurrendem Magen. Nina kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Nein, zum Knabbern war der gebrannte Kalk nicht geeignet! Vielmehr haben die Römer ihn mit Wasser vermischt – man nennt das ‚den Kalk löschen‘ – und daraus Mörtel und Putz für Mauern gemacht“, erklärt Nina ihren Freunden. „Den Kalkstein haben die Römer übrigens hier in Bad Münstereifel direkt etwas weiter oben in einem Steinbruch abgebaut. Und da hier eine römische Straße entlanglief, konnten die Römer den gebrannten Kalk auch schnell in ihre Städte und Legionslager am Rhein transportieren. Praktisch, oder? Gelöscht und mit Sand vermischt wurde der Branntkalk nämlich erst auf der Baustelle.“

Nicki, Nina und Klaus stehen vor den Resten der römischen Kalkbrennerei in Bad Münstereifel-Iversheim. „Die Reste von sechs Brennöfen haben Archäologen und Archäologinnen hier ausgegraben“, weiß Nina zu berichten. „Zwei davon haben sie aber wieder zugeschüttet.“ Klaus nickt mit dem Kopf. „Im Boden sind archäologische Funde ja am besten vor Wind, Wetter und uns Besuchenden geschützt.“„Wir würden doch aber nie etwas kaputt machen!“, ruft Nicki empört. „Na ja“, sagt Nina und versucht, die Wogen zu glätten. „Natürlich nicht absichtlich. Aber so etwas kann ja auch unabsichtlich passieren, oder nicht?“ „Ja, stimmt schon.“ Nicki ist wieder besänftigt.

Römische Kalkbrennerei in Bad Münstereifel-Iversheim. Im Vordergrund sieht man die Überreste eines der großen Brennöfen.

„Mit dem Brennen des Kalks waren die Römer bestimmt viel beschäftigt!“, sagt Nicki Nuss und stellt sich gerade vor, wie ihm der Staub aus gebranntem Kalk auf der Haut, in den Augen und im Mund brennt und ihn zum Husten bringt. „Ja“, bestätigt Nina. „Wahrscheinlich haben die Römer hier jeweils drei Öfen als Gruppe betrieben. Ein Ofen brannte, ein Ofen kühlte aus und ein Ofen wurde neu befüllt.“

„Wisst ihr eigentlich, dass hier keine Mitarbeiter von einer Firma gearbeitet haben, sondern Soldaten?“, fragt Nina. „Ja, weiß ich“, antwortet Nicki. Wenn er vom Kalkbrennen auch bisher keine Ahnung hatte, mit der römischen Armee kennt Nicki sich inzwischen gut aus.

„Das waren Legionäre aus Xanten.“ „Stimmt!“ Klaus hüpft vor Freude darüber, dass er auch mitreden kann. „Das steht auf Inschriftensteinen, die hier gefunden wurden. In einer benachbarten Kalkbrennerei waren es Soldaten aus Bonn.“

„Aber wenn das hier Soldaten waren, dann muss es doch auch ein Militärlager gegeben haben“, wirft Klaus ein. „Ja, klar!“, bestätigt Nina. „Das Lager, das zeitlich zu den Resten der ausgegrabenen Kalkbrennerei gehört, lag wahrscheinlich zwischen der Bundesstraße und der Erft. Es gibt auch noch ein älteres Lager. Dessen Reste liegen unter der Eisenbahnlinie.“

„Ein älteres Lager?“ Nicki ist verwirrt. „Ja, so ungefähr 150 Jahre lang haben die Römer hier Branntkalk hergestellt“, erklärt Nina. „Von der Mitte des 2. Jahrhunderts bis etwa zum Jahr 300. So lange hält kein Ofen. Die Anlage wurde also zwischendurch erneuert – und eben auch ein neues Lager gebaut. Dann haben die Römer die Anlage ziemlich fluchtartig aufgegeben. Einen der Öfen haben sie nach dem Brennen noch nicht einmal ausgeräumt. In diesem Ofen haben die Archäologen und Archäologinnen bei der Ausgrabung noch den Inhalt aus gebranntem Kalk gefunden.“ „Heiß war dieser Kalk aber sicher nicht mehr?“, scherzt Nicki Nuss und macht einen Vorschlag. „Sollen wir jetzt was trinken? Ich möchte nämlich keinen Kalk, sondern meinen Durst löschen!“

So funktionierten römische Kalkbrennöfen

Drei der römischen Öfen in Iversheim liegen heute in einem modernen Schutzbau, in dem es auch eine kleine Ausstellung gibt. Nebenan gibt es einen weiteren Ofen, der sich auch besichtigen lässt, wenn die Ausstellung nicht geöffnet ist. Den haben Archäologen und Archäologinnen vor einigen Jahren vollständig nachgebaut. Sie wollten ausprobieren, wie so ein römischer Kalkofen funktioniert hat.

Ein Kalkbrennofen ist eigentlich ein mehrere Meter hoher, gemauerter Schacht. Mit seinem unteren Ende ist der Ofen in den Hang gebaut. Wenn man so einen Ofen flach durchschneidet, dann hat er etwa die Form einer drei Meter langen Birne. Da, wo bei der Birne der Stiel sitzt, ist die sogenannte Ofenschnauze. Durch ein Loch in der Ofenschnauze wird das Feuer angezündet. Auf halber Höhe hat jeder Brennofen einen Absatz, die Ofenbank. Darauf haben die Römer ein Holzgerüst gebaut, das wie eine Kuppel geformt war. Und auf dieser Kuppel haben sie dann den Kalkstein in den Ofen gefüllt. Wenn sie das richtig gemacht haben, dann hielten die Steine hinterher von alleine – wie bei einem römischen Bogen. Dieses Gewölbe wird „Himmel“ genannt.

Wenn der Ofen bis zum Rand voll war, haben die Römer unten alles voller Holz gestapelt und das dann angezündet, mit einem Feuer, das etwa 1050 Grad Celsius heiß war. So haben sie mit jeder Füllung 25 Tonnen Kalk gebrannt. Das passt heute gerade so auf einen Lastwagen.

Sechs bis sieben Tage lang hat es gedauert, bis der Ofen nach dem Brennen wieder abgekühlt war und die Römer den Branntkalk ausräumen konnten. Drei weitere Tage haben sie dann gebraucht, um den gebrannten Kalk aus dem Ofen zu räumen und den Ofen neu zu befüllen.

Weitere Informationen zur Kalkbrennerei in Bad Münstereifel-Iversheim findet ihr auf www.bad-muenstereifel.de.

Till

Heute sehen sich Nicki Nuss, Nina und Klaus in der Gemeinde Bedburg-Hau im Ortsteil Till-Moyland um. An diesem Ort, wo die Reste mehrerer Militärlager weitgehend unter der Erde verborgen sind, erzählt Nina ihren Freunden viel über die römischen Hilfstruppen, sogenannte Auxiliare und über ihre Aufgaben und ihre Ausrüstung.

Auxiliare: Die Helfer in Till-Moyland

„Du, Nina, sind wir hier richtig?“, fragt Klaus. „Ja, sind wir“, beruhigt ihn Nina. Die beiden und ihr Freund Nicki Nuss stehen in der Nähe von Bedburg-Hau am Steincheshof in Till. Sie sind der Sommerlandstraße von der Ecke Bienenstraße 800 Meter in Richtung Moyland gefolgt und dann links abgebogen. Durch die Felder nähern sie sich dem Steincheshof. „Wir stehen hier wieder bei einem römischen Militärlager, auch wenn man nichts sehen kann“, sagt Nina und deutet um sich. „Es liegt nämlich wieder alles gut geschützt unter der Erde.“

Nina fährt fort: „Genauer gesagt stehen wir hier bei zwei Lagern. Das ältere hatte eine Holz-Erde-Mauer und keinerlei Innenbebauung. Das jüngere, kleinere Kastell, das an derselben Stelle gebaut worden war, hatte eine Innenbebauung in Holz-Fachwerk-Bauweise.“

„Welche Soldaten waren hier denn stationiert?“, erkundigt sich Nicki Nuss. „Das wissen wir nicht genau“, antwortet Nina. „Nach der Größe des älteren Lagers zu schließen, lagen hier Auxiliare. Das war entweder eine reine Reiter-Truppe (auch ala genannt) oder aber eine gemischte Truppe mit Reitern und Fußsoldaten, eine sogenannte cohors milliaria equitata.“

„Was heißt eigentlich Auxiliare?“, will Klaus wissen. Nina gibt Auskunft: „Das Wort auxilium bedeutet im Lateinischen Hilfe. Das waren also Hilfstruppen. Das heißt aber nicht, dass sie schlechter waren als die Legionäre. Truppen kamen sich im Kriegsfall manchmal gegenseitig zu Hilfe. In der Kaiserzeit bestand die römische Armee zur Hälfte aus Auxiliaren.“

„Die Hilfstruppen halfen also den Legionen?“, fragt Klaus. „Ja, das taten sie“, bestätigt Nina. „Die Hilfstruppen umfassten all die Truppentypen, die es in der Legion nicht gab. Und da die Hilfstruppen von den verschiedenen Völkern gestellt wurden, die es im Römischen Reich gab, waren darunter echte Spezialtruppen. Es gab Bogenschützen aus Syrien, Schleuderer aus Spanien, Reiter aus Gallien und Germanien und aus Nordafrika sogar Kamelreiter. Von den Kamelreitern waren aber nie welche hier am Niedergermanischen Limes stationiert. Viele Auxiliar-Einheiten bestanden aus leichter Infanterie – wobei deren Ausrüstung aber alles andere als leicht war.“

Nina führt weiter aus: „Statt des Wurfspeers pilum führten die Auxiliare eine Lanze, die hasta. Statt des großen, gewölbten Schildes namens scutum hatten sie einen flachen, ovalen Schild, die parma. Früher als die Legionäre ersetzten sie ihr kurzes Schwert, den gladius, durch ein langes Schwert, die spatha, und der Schienenpanzer wurde bei ihnen nie eingeführt.“ Nicki kratzt sich am Kopf. „Nina, wie kannst du dir all diese Namen bloß merken?“, fragt das Eichhörnchen sichtlich beeindruckt.

„Welche Aufgaben genau hatten die Auxiliare?“, fragt Klaus nach. „In der Schlacht führte die leichte Infanterie schnelle und kurze Angriffe. Die Reiterei bildete die Flügel der Schlachtordnung, also kämpften sie an den äußeren Seiten der Front. Auf dem Marsch sicherten die Hilfstruppen den Tross der Legionen“, schildert Nina.

„Und was haben die Hilfstruppen hier am Limes gemacht? Die waren ja teilweise ziemlich weit weg von den Legionen, die sie unterstützen sollten“, meint Nicki. Auch da weiß Nina weiter: „Wenn sie nicht mit den Legionen in die Schlacht zogen, haben die Hilfstruppen große Teile der Grenzsicherung übernommen. Das haben wir ja schon überall auf unserer Tour sehen können. Manche Auxiliar-Einheiten waren aber auch zusammen mit einer Legion in einem gemeinsamen Lager untergebracht. Übrigens zählte ja auch die römische Flotte zu den Hilfstruppen.“

„Legionäre waren ja von Beruf Soldaten. Waren das die Auxiliar-Soldaten auch?“, fragt diesmal wieder Klaus. Nina erklärt: „Hilfstruppensoldaten haben das ebenfalls beruflich gemacht. Ihre Dienstzeit war aber etwas länger als die der Legionäre. Sie dauerte 25 Jahre. Der Sold, also ihre Bezahlung, war außerdem niedriger als bei den Legionen. Trotzdem arbeiteten viele Bewohner der Provinzen gerne als Auxiliar. Bei der Entlassung aus dem Militärdienst erhielten sie nämlich das römische Bürgerrecht, das heißt, sie bekamen mehr Rechte. Zum Beispiel durften sie heiraten. Ihre Kinder bekamen dann automatisch auch das römische Bürgerrecht. Es ging ja nicht allen Leuten in den Provinzen so gut wie den Leuten, deren Städte zu Kolonien ernannt worden waren.“

„Warum waren die Hilfstruppen eigentlich immer so weit weg von zu Hause stationiert? Wäre das nicht auch anders gegangen?“, möchte Klaus wissen. „Da haben die Römer zum Beispiel aus dem Bataver-Aufstand gelernt“, weiß Nina. „Die Soldaten der Bataver, die damals nahe ihrer Heimat stationiert waren, schlossen sich nämlich den Aufständischen an – also dem Aufstand gegen die römische Herrschaft. Um solche Bündnisse zu vermeiden, wurden die Hilfstruppen fern ihrer Heimat stationiert.“

„Durften eigentlich auch römische Bürger in die Hilfstruppen statt in die Legionen eintreten?“, will es nun Nicki wissen. „Ja, durften sie“, bestätigt Nina mit einem Grinsen. „Das lohnte sich auch für sie. Da hatten sie nämlich bessere Aussichten auf höhere Dienstgrade.“

„Wurden die Soldaten der Hilfstruppen auch von ihren eigenen Leuten geführt?“, fragt Nicki weiter. Nina verneint: „Nö, so sehr haben die Römer den Leuten aus den Provinzen nicht vertraut. Das Kommando in den Auxiliar-Einheiten führten römische Offiziere.“

Kalkar-Kalkarberg

Nina, Klaus und Nicki Nuss sind vom Kastell Burginatium entlang der Römerstraße nach Kalkarberg gewandert. Unterwegs hat das Trio nur ein Thema: alles rund um Götter. Auch, wenn sie nicht alle göttlichen Namen aussprechen können …

Vagdavercustis, die Göttin aller Krieger

„Sag mal, Nina, verstehe ich das richtig, dass hier wieder etwas Römisches im Boden liegt, das man nicht sehen kann?“, fragt Nicki Nuss mit einem schelmischen Blick. „Stimmt genau“, entgegnet Nina. „Hier, wo die Straße ‚Im Dahl‘ einen Knick macht, haben wir einen guten Blick auf die Stelle, an der vor fast 2000 Jahren der Tempel der Kriegsgöttin Vagdavercustis stand.“

„Wagawas?“, stottert Klaus. „Vagdavercustis“, wiederholt Nina. „Das war eine germanische Kriegsgöttin. Auf der leichten Anhöhe dort drüben stand vom 1. bis zum 4. Jahrhundert nach Christus die bislang einzige bekannte Tempelanlage, die ihr geweiht war. Das Heiligtum war ringsum von einer Mauer umgeben. Diese Mauer umschloss den heiligen Bezirk, den temenos. In der Mitte des Heiligtums stand ein sogenannter Umgangstempel“, macht es Nina wieder einmal spannend.

„Umgangstempel, das klingt ein wenig komisch – ist ein Umgangstempel etwas Besonderes?“, fragt Nicki. „Oh ja“, antwortet Nina. „Solche Tempel kennt man nur aus den gallischen und germanischen Provinzen des Römischen Reiches. Die heißen so, weil rund um die cella, also um den Raum mit der Götterstatue, den nur die Priester betreten durften, ein überdachter Säulengang herumlief.“

„Gab es im heiligen Bezirk noch mehr Gebäude?“, will Klaus wissen. „Ja, die gab es“, bekräftigt Nina. „Direkt neben dem Tempel stand ein rechteckiges Gebäude, das der Kultgemeinde vielleicht als Versammlungsraum diente. Auf der Rückseite der ganzen Anlage stand ein Wohnhaus, das wahrscheinlich für die Priester oder die Pilger da war. Das Haus hatte sogar eine Fußbodenheizung!“

Lebensbild des Heiligtums der Vagdavercustis während des 2. und 3. Jahrhunderts
Lebensbild des Heiligtums der Vagdavercustis während des 2. und 3. Jahrhunderts
Im Heiligtum niedergelegte Opfergaben und Bruchstücke einer Statue
Im Heiligtum niedergelegte Opfergaben und Bruchstücke einer Statue

„Und wer hat zu dieser Göttin mit warmen Füßen gebetet?“, interessiert sich jetzt Nicki Nuss. Nina erzählt: „Das waren wohl vor allem Kavalleristen aus dem benachbarten Kastell Burginatium und Legionäre der legio XXX Ulpia victrix aus Vetera castra in Xanten. Bei ihren Ausgrabungen haben Archäologen und Archäologinnen Bruchstücke von Weihesteinen mit entsprechenden Inschriften gefunden. Als Opfergaben weihten die Soldaten vor allem Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände.“

„Wieso haben eigentlich römische Soldaten einer germanischen Göttin geopfert?“, fragt Nicki weiter. Auch hier weiß Nina die Antwort: „Na ja, die Römer hatten viele Götter. Die wichtigsten waren Jupiter, der Wettergott und Blitzeschleuderer, seine Frau Juno, die die Familie und das heimische Herdfeuer beschützte, und Minerva, die Göttin der Weisheit und der Strategie des Krieges.“

„Und was war mit dem Kaiser?“, fragt Klaus nach. „Stimmt, auch für den Kaiser gab es einen Kult“, bestätigt Nina. „Die Römer verehrten sozusagen seine besondere Ausstrahlung. Verstorbene Kaiser konnten außerdem auf Beschluss des Senats vergöttlicht werden. Die Verehrung des Kaisers und der Staatsgötter war so etwas wie ein Bindeglied für die römische Gesellschaft.“

„Was war denn dann mit den vielen anderen Göttern?“, will jetzt Nicki Nuss wissen. „Oh, da konnte jeder Mensch im Römischen Reich glauben, was er oder sie wollte“, erklärt Nina. „Hauptsache, man opferte daneben auch den Staatsgöttern und dem Kaiser. Viele Menschen verehrten weiter die Götter ihrer Vorfahren.

Und wenn die fremden Götter etwas versprachen, was sich auch Römerinnen und Römer erhofften, dann opferten sie ganz einfach auch für diese Gottheiten – und von der Kriegsgöttin Vagdavercustis erhofften sich natürlich die Soldaten Beistand in der Schlacht.“

„Gab es denn sonst noch Götter, die besonders von römischen Soldaten verehrt wurden?“, fragt Nicki sichtlich neugierig. „Die gab es tatsächlich“, bestätigt Nina. „Da war natürlich der römische Gott Mars, der Kriegsgott. Auch Victoria, die Siegesgöttin, genoss ganz besondere Verehrung. Der Halbgott Herkules wurde um Kraft gebeten und natürlich versuchten die Soldaten auch, sich mit Pluto, dem Herrn des Totenreiches, gut zu stellen. Römische Soldaten opferten auch verschiedenen Schutzgeistern, den Genien. So hatte jedes Kastell und jeder Exerzierplatz seinen eigenen
Genius. Auch die Feldzeichen, die jeder Einheit bei ihrer Gründung verliehen wurden, galten als heilig. Diese Kulte stärkten enorm das Gefühl, zu einer gemeinsamen Einheit zu gehören“, weiß Nina.

„Gab es denn auch Tempel in den Kastellen?“, fragt diesmal Klaus. „Richtige Tempel gab es nicht“, erklärt Nina. „In den principia, dem Stabsgebäude, gab es aber immer einen speziellen Raum, in dem die Feldzeichen aufbewahrt wurden, das aedes, das Fahnenheiligtum. Hier standen neben den Feldzeichen auch verschiedene Götterbilder oder Geniusfiguren. Vor dem Fahnenheiligtum lagen die basilica, die große Querhalle und der Innenhof. Hier
standen in der Regel die Ehrenstatuen der Kaiser. Aber auch außerhalb der Kastelle, zum Beispiel in den Kastelldörfern, lagen militärische Kultplätze. Diese wurden wohl zumindest zum Teil von Soldaten und der Zivilbevölkerung gemeinsam genutzt.“

„So viele Götter“, meint Klaus. Nina entgegnet: „Ja, und es kamen sogar noch welche dazu. Im 2. Jahrhundert breitete sich aus dem Osten eine Religion aus, die genau den Vorstellungen der Soldaten entsprach: die Verehrung des heldenhaften Kämpfers Mithras, des Herrn des Lichts, der, so glaubten seine Anhänger, durch das Töten eines Stiers für das Werden und Vergehen des Lebens sorgt. An vielen Legionsstandorten errichteten die Menschen die unterirdischen Heiligtümer des Mithras. Zur gleichen Zeit verbreitete sich auch langsam der Glaube an Jesus Christus. Diese Religion löste am Ende des 4. Jahrhunderts die vielen römischen Götterkulte ab.“

„Und da wurde die Wagawas nicht mehr beachtet?“, fragt Klaus mit einem gespielt traurigen Gesicht. „Sie hieß Vagdavercustis“, korrigiert ihn Nina und kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

Ein Altar für die Göttin Vagdavercustis, gefunden in Köln. Abgebildet ist die Durchführung eines Brandopfers auf einem Altarstein.
Ein Altar für die Göttin Vagdavercustis, gefunden in Köln. Abgebildet ist die Durchführung eines Brandopfers auf einem Altarstein.

Bonn

In Bonn stellen Nicki Nuss und seine Freunde fest, wie riesig die römischen Legionslager waren. Von den Mauern ist hier nicht mehr viel zu sehen. Auf ihrem Spaziergang entdecken die drei Abenteurer dennoch einige Reste aus der Römerzeit.

Das Legionslager Bonna

„Ist es noch weit?“, jammert Nicki ein kleines bisschen. Ihm tun nämlich die Füße weh. Nina schaut auf ihr Handy. „Nö, wir sind gleich da“, sagt sie ermutigend. Nicki Nuss, Nina und Klaus sind in Bonn angekommen. Jetzt spazieren sie den Rhein flussabwärts zum römischen Legionslager Bonna. Das liegt auch heute noch direkt am Rhein. Neben den Städten Neuss, Xanten und Nimwegen, das in den Niederlanden liegt, war es das zweitgrößte der insgesamt vier Legionslager am Niedergermanischen Limes.

„Ja, wo ist denn nun das Legionslager?“, fragt Klaus. „Ich sehe ja gar keine Lagermauer. Nur moderne Häuser!“ „Na ja, Mauern vom Bonner Legionslager stehen heute nicht mehr. Die wären ja mehr als 1 000 Jahre alt“, antwortet Nina. „Aber man kann auch heute noch genau sehen, wie groß das Lager war und wo seine beiden großen Hauptstraßen entlangliefen. Kommt, wir gehen zusammen einmal um das Lager herum.“ „Muss das sein?“, fragt Nicki und deutet auf seine schmerzenden Füße. Dann läuft er aber doch mit.

„Hier am Rhein war der Hafen des Lagers“, weiß Nina zu berichten. „Allerdings nicht da, wo wir jetzt stehen. Sondern da unten, im Wasser. Nur wenn der Rhein sehr wenig Wasser führt, dann erscheint heute die Anlegestelle. Das Lager selbst lag so hoch, dass es vor Hochwasser geschützt war. Schaut mal, wie hoch die Mauer zwischen dem Uferweg und den Häusern und Gärten da oben ist.“

Am Ende der Mauer, dort, wo zwei Infotafeln zum Lager stehen, biegen Nicki Nuss, Nina und Klaus nach links ab. „Puh, hier geht es ja ganz schön bergauf“, schnauft Nicki. „So hoch über dem Rhein lag das Legionslager“, sagt Nina. „Das war schön sicher vor jedem Hochwasser.“

Die heutigen Straßen in Bonn verlaufen etwa entlang der Mauern des römischen Lagers. Kannst du diese Denkmäler entlang der Lager-Mauer finden?

Denkmal am Eigang zum Schulhof der Marie-Kahle-Gesamtschule
Nachgebauter römischer Last-Kran
Bronzetafel an der Kreuzung Graurheindorfer Straße/Nordstraße, dort, wo früher die porta decumana war
Bronzetafel an der Kreuzung Graurheindorfer Straße/Nordstraße, dort, wo früher die porta decumana war
Bronzemodell des römischen Lagers

„Wow, was ist das denn?“, ruft Klaus. Er zeigt auf ein großes Holzgerüst mit einem Rad an der Seite. „Das ist ein nachgebauter römischer Kran“, antwortet Nina. „Solch ein Kran hat wahrscheinlich auch unten an der Anlegestelle gestanden, um schwere Lasten verladen zu können. In dem großen Rad sind Arbeiter wie in einem Hamsterrad gelaufen. Mit ihren Beinen haben sie also den Kran angetrieben. Trotzdem war ein Flaschenzug nötig, um auch ganz schwere Lasten anheben zu können, zum Beispiel große Steinblöcke, die man für den Bau von Gebäuden benötigte“, erklärt Nina und zeigt auf das Ende des Kranauslegers. Dort verläuft das Seil des Kranes über viele Rollen mehrfach auf und ab.

„Mit diesem Flaschenzug vervielfacht sich die Kraft der Arbeiter“, erklärt sie. Die drei Freunde überqueren an der Ampel die Straße und gehen unter den Bäumen weiter. „Das ist der Augustusring“, sagt Klaus und zeigt auf ein Straßenschild. „Ob die Straße wohl nach dem römischen Kaiser benannt ist?“ „Ganz bestimmt“, meint Nina. „Schaut mal da vorne an der großen Kreuzung. Da, wo rechts die Kirche steht, war die Ecke des Lagers.“

Nicki, Nina und Klaus biegen wieder nach links ab. „Schaut mal, hier ist eine Schule“, ruft Nina. „Und was ist daran so toll?“, fragt Nicki. „Dass Kinder heute da lernen, wo vor 2 000 Jahren römische Legionäre zu Hause waren, das ist so toll“, antwortet Nina. Die drei stehen vor der Einfahrt zum Schulhof. „Was steht denn da?“, fragt Klaus. Direkt in der Zufahrt steht links ein großes Denkmal mit einer Inschrift. „Da steht, dass diese Steine hier auf dem Schulhof ausgegraben wurden.“ „Ob da noch mehr Steine im Boden sind?“, fragt Klaus. „Bestimmt“, erwidert Nina.
„Das Lager in Bonn hat eine lange Geschichte“, weiß Nicki Nuss zu berichten. „Und von der erzählen die Steine. Wahrscheinlich um das Jahr 30 haben es die Legionäre der legio I Germanica errichtet. Dieses erste Lager hatte noch keine Steinmauer, sondern eine Befestigung aus Holz und Erde. Auch die Gebäude im Lager waren noch aus Holz. Archäologen und Archäologinnen haben ausgerechnet, dass dafür etwa 10 000 Eichen gefällt werden mussten.“ „Boah, das ist ja ein ganzer Wald!“, staunt Klaus. „Die armen Bäume.“

Nicki erzählt weiter: „Von diesem Lager ist kaum etwas erhalten geblieben. Während des Aufstandes des germanischen Stammes der Bataver ist es nämlich abgebrannt und die legio I Germanica wurde aufgelöst. Die legio XXI Rapax hat dann das Lager wieder aufgebaut.“ „Stimmt, eine Inschrift eines gefundenen Steines aus dem Jahr 79 beweist das“, wirft Nina ein. „Sag mal, Nicki, du hörst ja gar nicht mehr auf zu erzählen. Sonst stellst du immer nur Fragen.“

Auch das Legionslager Bonn hatte zeurst eine Mauer aus Holz und Erde. Erst später wurde sie ersetzt durch eine Steinmauer. Auf diesem Bild seht ihr den Nachbau der Holz-Erde-Mauer des Legionslagers aus dem LWL-Römermuseum in Haltern am See.

„Tja“, antwortet Nicki Nuss. „Ich habe halt inzwischen viel gelesen und viel gelernt! Die legio XXI Rapax war übrigens vorher in Helvetien stationiert, also in der heutigen Schweiz. Die Legionäre haben das neue Lager mit einer Mauer und Gebäuden aus Stein neu gebaut. Als das Lager nach 13 Jahren fertig war, ist die Legion nach Mainz gezogen.“

„Und wer kam dann?“, will Klaus wissen. Auch da weiß Nicki mehr: „Dann kam die legio I Minervia. Und die blieb für mehr als 200 Jahre. Deren Soldaten haben ihr Lager richtig schick gemacht. Fast hätte man meinen können, man wäre in einer römischen Großstadt und nicht in einem Militärlager gewesen, so schön verziert waren viele der Gebäude. Und von diesen Gebäuden stammen die Steine.“

Die drei gehen weiter. „Schaut mal, da an der Wand ist wieder etwas!“, ruft Nicki. „Auf der Metalltafel ist der Umriss des Lagers zu sehen.“ „Wir stehen hier genau da, wo früher das hintere Tor des Lagers war, die porta decumana“, erzählt Nina.

„So langsam bekomme ich Hunger“, sagt Klaus. „Oh ja, und Durst“, ergänzt Nicki. „Gut, aber lasst uns noch ein bisschen weitergehen“, meint Nina. Nach ein paar Minuten kommen die Freunde an der Ecke Rosental/Graurheindorfer Straße an. „Was wollen wir denn hier?“, fragt Klaus. „Lass Dich überraschen!“, antwortet Nina. Und siehe da, die drei Freunde stehen vor einem großen Sockel, auf dem ein Modell des Legionslagers aus Metall steht. „Hier könnt ihr sehen, wie es im Lager ausgesehen hat“, erklärt Nina und hebt Klaus hoch, damit er alles sehen kann. Nicki springt auf Ninas Schulter. Gespannt sehen die drei auf die Fläche. „Schaut mal, am Rand sind einige der Gebäude abgebildet“, ruft Nicki. „Da steht, was das für Gebäude waren.“ Nina setzt Klaus vorsichtig oben auf das Modell. „Hurra, ich bin ein römischer Legionär!“, ruft er. „Und in welches der Gebäude willst du einziehen?“, fragt Nina. „Weiß ich nicht“, quakt Klaus. „Welches von den Häusern war denn wohl am schönsten?“ Bevor Nicki oder Nina antworten können, knurrt sein kleiner Froschmagen so laut, dass alle drei lachen müssen. „Lasst uns ganz schnell eine Bank suchen und picknicken!“, schlägt Nina vor.

Der Aufbau eines Legionslagers

Das Legionslager Bonn erstreckte sich zwischen den heutigen Straßen Augustusring im Norden und Rosental im Süden sowie der Graurheindorfer Straße im Westen und dem Rheinufer im Osten.

Das Lager hatte einen ziemlich genau quadratischen Grundriss. Es war 525 Meter breit und fast genauso lang. Die Steinmauern waren eineinhalb Meter dick. An deren Rückseite war ein Erdwall angeschüttet. Vor der Mauer verlief mindestens ein Graben. Dieser Graben liegt heute unter den Straßen, die um das Lager herumführen.

Auf jeder Lagerseite war ein Tor mit zwei Türmen und zwei Durchfahrten. Durch die Tore verliefen die Hauptstraßen, die sich in der Mitte des Lagers fast im rechten Winkel gekreuzt haben. Alle Straßen waren mit Kies bestreut. Auf Latein heißt Straße übrigens via. Die heutige Römerstraße folgt im Bereich des Lagers fast genau der via principalis, der Lagerhauptstraße. Der Mittelpunkt des Lagers lag an der Kreuzung der Römerstraße mit der Nordstraße, die ungefähr der via decumana folgt, und der Badener Straße/Am Wichelshof, die in etwa der via praetoria zum Rheintor folgt. Das Rheintor war das Haupttor. Es lag auf der Seite des Lagers, von der aus man zum Feind, also zu den Germanen, sehen konnte.

Was in ein Legionslager gehörte

Zur Innenbebauung eines römischen Militärlagers gehörten auch zahlreiche Funktionsbauten. Dazu zählen mehrere Wirtschaftsgebäude. In ihnen waren wahrscheinlich verschiedene Werkstätten untergebracht. Die medizinische Versorgung der Truppe wurde in einem eigenen Lazarett (valetudinarium) sichergestellt. Eine Besonderheit des Bonner Lagers waren die großen Speicherbauten (horrea) direkt neben dem Rheintor. Über eine Wasserleitung von schätzungsweise elf Kilometern Länge wurde das Lager von Westen her mit Wasser versorgt.

Die Unterkünfte der Soldaten

Die Stuben der einfachen Soldaten waren in lang gestreckten Kasernengebäuden untergebracht. Links und rechts der Nebenstraßen lagen immer zehn Stuben für jeweils acht Soldaten. Das war insgesamt eine Zenturie. Die Wohnungen der Offiziere, der Zenturionen, lagen an den etwas verbreiterten Enden der Kasernengebäude. Auch diese Unterkünfte besaßen Annehmlichkeiten. Es gab teilweise Wasserbecken und hübsch bemalte Wände – und natürlich auch eine Heizung.

Immer ein Häuserblock mit jeweils drei Nebenstraßen gehörte zu einer Kohorte. Neun dieser Häuserblöcke kann man im Plan des Lagers erkennen. Nur bei der ersten Kohorte war das anders. Die hatte nur fünf Zenturien, aber in jeder Zenturie nicht 80, sondern 160 Legionäre. Daher umfasst der Häuserblock der ersten Kohorte fünf Nebenstraßen.

In den Lücken zwischen den Häusern der höheren Offiziere und den Kasernen der Legionskohorten lagen die Unterkünfte der beiden Kohorten der Hilfstruppen – der sogenannten Auxiliare – und der Legionsreiterei. Neben den Stuben für die Soldaten waren hier auch Pferdeställe – und natürlich gab es hier auch Platz für die vielen Maultiere, die zum Transport der Ausrüstung auf einem Feldzug nötig waren.

Du möchtest mehr zu den Römern in Bonn erfahren? Dann besuche das LVR-LandesMuseum Bonn.

Kottenforst

Graben, graben, immer weiter graben … Das werden sich römische Legionäre gedacht haben, die im Kottenforst stationiert waren.

Legionäre im Feld

Römische Soldaten hatten in Zeiten des Friedens nichts zu tun? Ganz im Gegenteil! In Iversheim konnte man schon sehen und lesen, welche Aufgaben römische Legionäre hatten. Wenn sie nicht zur Produktion von Baustoffen oder zu anderen Baumaßnahmen abgestellt waren, wurde das Kriegshandwerk geübt. Ständig hielten die Offiziere ihre Soldaten auf Trab. Sie mussten blitzschnell Befestigungen bauen können. Das wurde laufend geübt. Denn solche Marschlager waren bei Feldzügen sichere Rückzugsorte, zum Schlafen und wenn es in der Schlacht nicht gerade gut lief. Im Kottenforst zum Beispiel haben Archäologen und Archäologinnen die Spuren von zahlreichen solcher Lagern gefunden, die die Legionäre anlegen mussten. 23 dieser nur kurz genutzten Lager sind so gut erhalten, dass sie heute zum UNESCO-Welterbe gehören. Die Soldaten haben für die Lager Spitzgräben gezogen und die Erde dann zu einem Wall aufgeworfen. Für diesen Erdwall haben sie danach Rasenstücke ausgestochen und diese mauerartig davor gestapelt, um die lose Erde zu befestigen.

„Eingangstüren“ zum römischen Marschlager

Den Zugang zu den römischen Lagern im Kottenforst ermöglichten jeweils vier sogenannte claviculae, das bedeutet Schlüsselchen. Es sind kleine Unterbrechungen im Wall. Damit Angreifer nicht einfach ins Lager eindringen konnten, war der Erdwall hier immer so gebaut, dass eines seiner Enden jeweils in Form eines Viertelkreises in das Innere des Lagers reichte. So war der direkte Zugang versperrt.

Die Lager im Kottenforst sind unterschiedlich groß. Die kleineren Lager entstanden vermutlich während der Übungen, während die größeren Lager wohl größeren Manövern dienten.

Dormagen

Nicki Nuss und seine Freunde schauen sich heute in Dormagen im „Römergarten“ um. Besonders spannend finden sie dort das Modell der kleinen Festung. Denn damit können sie allerhand über das Leben der römischen Reiter lernen.

Das Reiterkastell Durnomagus

„Oh, schaut mal, ein Römerspielplatz!“, ruft Klaus ganz aufgeregt. „Kommt, lasst uns schaukeln!“ Klaus, Nicki Nuss und Nina sind mitten in Dormagen. Ganz in der Nähe des Rathauses gibt es einen Bereich, der heute „Römergarten“ genannt wird. „In Dormagen haben die Römer ein Lager für eine ala errichtet“, erklärt Nina. „Was ist denn eine ala?“, will Nicki wissen. „Eine ala ist eine Reitereinheit“, antwortet Nina. „Die meisten Reiter in der römischen Armee stammten nicht aus Rom, sondern waren Männer aus den vielen Völkern, die im Römischen Reich lebten.“ „Also Hilfstruppen, die nannte man auch Auxiliare“, weiß Nicki zu ergänzen. „Ja, genau“, bestätigt Nina. „Die typische ala der Hilfstruppen hieß ala quingenaria und sollte 500 Mann stark sein.“ Hier in Dormagen, das die Römer Durnomagus nannten, war die ala Noricorum stationiert.“

„Und die hieß so, weil die Männer alle aus der Provinz Noricum stammten“, weiß Nicki. „Stimmt“, bestätigt Nina. „Wo war denn die Provinz Noricum?“, fragt Klaus. „Die war ungefähr da, wo heute Bayern und Österreich sind“, antwortet Nina.„Wann wurde das Lager denn gebaut?“, fragt Klaus. „Unter Kaiser Domitian, zwischen 83 und 85 nach Christus“, antwortet Nina.

„Haben die Römer hier auch zuerst ein Holz-Erde-Lager gebaut?“, will Klaus wissen. „Ja, etwa in der Mitte des 2. Jahrhunderts haben die Römer das erste Lager aber abgerissen und durch ein Steinlager ersetzt“, erklärt Nina und erzählt weiter: „Wie üblich hatte das neue Lager eine Steinmauer mit einem dahinter angeschütteten Wall und einen doppelten Graben.“

„Und wie sah es im Lager aus?“, möchte Klaus wissen. „Das kannst du hier am Modell sehen“, ruft Nicki. Das Eichhörnchen steht vor einem Tisch, auf dem es ganz viele Häuser gibt. „Hier in der Mitte sind die principia, das Verwaltungsgebäude“, erklärt Nina. „Das kenne ich noch vom Modell des Bonner Legionslagers“, meint Klaus stolz.

Römergarten in Dormagen
Im Reiterlager in Dormagen konnten Archäologen und Archäologinnen erstmals auch kombinierte Unterkünfte für Kavalleristen und ihre Pferde nachweisen.

„Genau“, bestätigt Nina und erklärt weiter: „Östlich der principia zog die via praetoria zur porta praetoria, dem Haupttor, das in Richtung Rhein zeigte. Dieser Teil des Lagers heißt praetentura, das Vorderlager. Hier standen Unterkünfte für die Soldaten und einige Wirtschaftsgebäude.“

„Und hinter den principia?“, fragt Klaus. „Links und rechts der via decumana lag das Hinterlager, die retentura“, erklärt Nina weiter. „Hier standen die Unterkunft des Kommandeurs, die restlichen Unterkünfte für die Soldaten, die Ställe für die Pferde und je ein Lazarett, also ein Krankenhaus für Menschen und für Tiere.“ „Und bestimmt auch eine große Scheune“, wirft Nicki ein. „Wieso das?“, fragt Klaus. „Na, weil so viele Pferde auch sehr viel Futter brauchen“, antwortet Nicki. „Stimmt, so eine ala brauchte ungefähr 250 Tonnen Getreide pro Jahr“, erklärt Nina.

„Wie lange waren die Römer eigentlich hier?“, will Nicki wissen. Nina muss überlegen: „Also, die ala Noricorum wurde am Ende des 2. Jahrhunderts nach Gallien abgezogen, nach Lugdunum, dem heutigen Lyon. Hier im Lager blieb nur eine Art Notdienst. Nur die Kopfbauten der Ställe waren ab dann noch bewohnt. Der Rest waren Ruinen.“

„War das dann das Ende des Lagers?“, fragt Nicki weiter. „Nein“, fährt Nina fort. Um das Jahr 260 herum, also zu Beginn des Gallischen Sonderreiches, waren wieder vermehrt Menschen im Lager. Das waren aber vor allem ganz normale Personen und keine Soldaten. Wahrscheinlich sind die Bewohner des Lagerdorfes, das die ganze Zeit fortbestanden hatte, in die schützenden Mauern des Kastells gezogen. Das war ja auch die Zeit ganz schlimmer Überfälle der Franken.“

„Sind denn auch irgendwann einmal wieder Soldaten in das Lager eingezogen?“, fragt Klaus. „Ja, tatsächlich haben die Römer zu Beginn des 4. Jahrhunderts sogar eine regelrechte Festung gebaut. Die war aber viel kleiner als das Kastell für die Reiter-Truppe, ungefähr nur noch ein Viertel so groß“, berichtet Nina.

„Sah die Festung so aus wie die in Deutz oder von Haus Bürgel?“, fragt Klaus weiter. „Ja, so ungefähr“, bestätigt Nina. „Diese kleinen Festungen mit ihren wenigen Männern Besatzung sollten ja tatsächlich auch längeren Belagerungen durch die Germanen standhalten können.“

„Übrigens haben die Römer die alten Lagermauern weiter gepflegt und sogar verstärkt“, fährt Nina fort. „Nur standen innerhalb der Mauern keine Soldatenunterkünfte mehr.“

„Und wozu dann der Aufwand?“, will Nicki wissen. Nina weiß natürlich eine Antwort: „Wahrscheinlich haben die Römer die freie Fläche genutzt, um durchziehende Truppen campieren lassen zu können.“

„Waren hier eigentlich, wie in Haus Bürgel, auch Föderaten, also Bündnispartner, stationiert?“, fragt Klaus zum Abschluss. „Sehr wahrscheinlich“, bestätigt Nina. „Bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts waren hier Soldaten stationiert – und zu der Zeit können das eigentlich nur noch Föderaten gewesen sein.“

Das Modell des Reiterkastells im Historischen Rathaus von Dormagen

UNESCO-Welterbe Dormagen

Wer sich besonders für die Römer in Dormagen interessiert, dem sei der Besuch der Ausstellung im Historischen Rathaus empfohlen. Ebenso interessant ist der Römerkeller in Dormagen, der die Überreste eines Wohnhauses aus der römischen Zeit zeigt. Infos zum UNESCO-Welterbe Dormagen auf der städtischen Website.

Duisburg-Werthausen

In Duisburg-Rheinhausen, im Ortsteil Werthausen, stoßen Nina, Nicki Nuss und Klaus auf ein Kleinkastell. Das Trio erfährt hier, was es so besonders macht.

Ein Römerlager im Feindesland

„Ihr Lieben, das hier ist ein Beispiel für einen Stützpunkt, den die Römer dauerhaft auf der rechten Seite des Rheins errichtet haben“, erklärt Nina mit weit ausholender Geste. Gemeinsam mit Nicki Nuss und Klaus steht sie an der Ecke Deichstraße und Grüner Weg in Duisburg-Rheinhausen, im Ortsteil Werthausen.

„Aber wir sind hier doch auf der linken Rheinseite“, beschwert sich Nicki. „Das stimmt schon“, entgegnet Nina. „Aber in römischer Zeit lag das Kleinkastell hier unmittelbar am rechten Ufer des Rheins, direkt am südlichen Ende des Essenberger Bruchs.“ „War das nicht der ausgetrocknete Rheinarm, an dem das Lager Asciburgium lag?“, fragt Klaus nach. „Ja, genau“, bestätigt Nina.

„Das Lager hier liegt sogar mitten in dieser alten Stromrinne. Das beweist, dass diese alte Flussschleife schon trocken war, als die Römer das Lager Werthausen gebaut haben. Das war wahrscheinlich, kurz nachdem sie Asciburgium als Militärstandort aufgegeben hatten. Der Niederrhein sieht ja heute ganz anders aus als zu römischer Zeit. Er hat viel weniger Kurven, also Flussschleifen, und ist durch Deiche auf beiden Seiten in sein Flussbett gezwängt.“

Warum haben die Römer das Lager eigentlich auf der germanischen Seite gebaut?“, will Nicki wissen. Nina kann das erklären: „Zunächst einmal sollte das kleine Kastell das Lager Asciburgium ersetzen. Die Römer haben das neue Lager wahrscheinlich so weit in Richtung der Germanen vorgeschoben, weil sie damit die Flussmündung der Ruhr besser kontrollieren konnten. Diese Flussmündung war strategisch wichtig, denn von dort aus konnten Germanen leicht das Römische Reich überfallen. Außerdem begann hier ein Handelsweg, der weit nach Osten in das Gebiet Germania magna hineinreichte. Später bekam dieser Weg den Namen Hellweg.“

„Welche Einheit war hier eigentlich stationiert?“, fragt Nicki weiter. „Für eine Kohorte oder eine ala war das Lager doch viel zu klein.“ „Das stimmt“, pflichtet ihm Nina bei. „Das Lager hier hat höchstens zwei Zenturien aufnehmen können, also nur so um die 160 Mann. Das spricht dafür, dass hier nur eine vexillatio, also eine Abordnung einer größeren Einheit, stationiert war. Wahrscheinlich waren es Soldaten aus dem nicht allzu weit entfernten Lager Vetera, die hier immer für eine begrenzte Zeit ihren Dienst machten.“

„Und wie lange war das?“, fragt Klaus nach. „Das weiß niemand“, antwortet Nina. „Es ist ja noch nicht einmal schriftlich überliefert, dass die Soldaten wirklich aus Vetera kamen. Man kann aber wegen der Funde recht gut sagen, wie lange das Lager in Werthausen bestand: etwa 150 Jahre. Mitte des 3. Jahrhunderts gaben die Römer das Lager Werthausen auf.“

Der Verlauf des Rheins in römischer Zeit

Bevor der Rhein sein heutiges Flussbett erhalten hat, verlief er am flachen Niederrhein über Jahrhunderte hinweg
in weit ausschwingenden Bögen. Die Ablagerungen in diesen alten Flussschlingen bewahren wichtige Informationen. Mit verschiedenen Methoden können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Verlauf des Rheins rekonstruieren.